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Reportage vom mazedonischen Grenzort Gevgelija

Fernsehen
ZiB2
Berichte Nord-Mazedonien
Allein am Wochenende sind aus Mazedonien wiederum 10.000 Flüchtlinge nach Serbien eingereist. Noch viel besser zeigt die Dimension dieses Menschenstroms aber ein etwas längerfristiger Vergleich. Seit Mitte Juni hat Mazedonien 118.000 Personen registriert, durch das Balkanland gekommen sein dürften aber bis zu 300.000 Menschen. Das entspricht zwischen mehr als fünf und mehr als zehn Prozent der Einwohnerzahl von Mazedonien, das mit zwei Millionen etwa so groß ist wie Niederösterreich. Praktisch alle diese Menschen kamen und kommen vom Nachbarn Griechenland nach Mazedonien, und zwar über den Grenzort Gevgelija; dort befindet sich auch das erste Auffanglager auf mazedonischem Boden.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus dem mazedonisch-serbischen Grenzgebiet

Tanja Antic, Rotkreuz-Helferin in Gevgelija

Ivan Frangov, Bürgermeister von Gevgelija

Jontsche Andonow, Taxifahrer in Gevgelija

Gesamtlänge: 2’42

Das 15.000 Einwohner zählende Gevgelija ist beim griechischen Nachbarn sehr bekannt. Grund sind die vielen Casinos, weil Glückspiel in Griechenland verboten ist. International bekannt wurde der Ort durch den Strom von Flüchtlinge und Migranten. Über die grüne Grenze kommen in wenigen Tagen mehr Personen als Gevgelija Einwohner hat. Das mazedonische Auffanglager liegt nun etwas außerhalb, das hat die Lage im Ort entspannt. Am größten ist der Andrang am frühen Abend und in der Nacht. 3.000 belegte Brote und 6.000 Liter Wasser werden pro Tag erteilt. Das Lager ist gut eingerichtet, Hilfsorganisationen arbeiten hier Zelt an Zelt. Die medizinische Versorgung liegt in den Händen des mazedonischen Roten Kreuzes; auch ein Arzt ist ständig anwesend.

„Wir haben viele kleine Schnittverletzungen. Hinzu kommen Magenverstimmungen, weil die Menschen das Essen nicht gewöhnt sind und unregelmäßig essen.“

Das Lager besuchte heute auch eine Delegation der EU, geführt vom Bürgermeister von Gevgelija. Die Stadt sieht sich durch den monatelangen Massenansturm überfordert:

„Noch gibt es keinen Platz, wo die Menschen ihre Wäsche waschen können. Stellen Sie sich vor, dass jeden Tag 5.000 Ihrer Bürger ihre Wäsche wegwerfen, was für eine Deponie brauchen sie, um das beseitigen. Zwei unserer Coloniakübelwägen sind defekt, weil der Weg hierher schlecht ist. Doch vier Mal pro Tag müssen wir die Container ausleeren.“

Und was braucht Gevgelija am dringendsten?

„Wir brauchen Coloniakübelwägen und Tankwägen, um die Klärgrube zu entleeren, die gebaut wird. Hier haben wir je 40 Toiletten und Duschen und damit viel Abwasser; wir brauchen einen Bulldozer und eine Presse für die Deponie, denn wir haben keinen Platz mehr.“

Der Weitertransport an die serbische Grenze erfolgt mit dem Zug. Eine Fahrkarte kostet 25 Euro für Flüchtlinge und Migranten aber nur 7 Euro für Mazedonier. Begründet wird der Unterschied mit den hohen Kosten für Mazedonien. Seit einigen Tagen sind Transporte mit Taxis und Bussen verboten. Das führte zu Protesten der lokalen Taxifahrer, die bisher sehr gut verdient haben:

„Der Staat erlaubt den Migranten nicht, ihr Transportmittel frei zu wählen. Wir verlangen 100 Euro für vier Personen und ein Kind von hier bis zur serbischen Grenze.“

Nicht nur Taxis, auch der Bahnhof ist weitgehend verwaist. Für Studenten fällt der der Zug nach Skopje als Transportmittel praktisch aus, weil die Kapazitäten derzeit nur für den Abtransport aus dem Auffanglager ausreichen, der nun immerhin in geordneten Bahnen erfolgt.

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