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Mazedonien nach der Wahl

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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien werden die gestern abgehaltenen Parlamentswahlen zu einem Machtwechsel führen. Die bisher regierenden Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Vlade Buckovski haben die Wahl verloren; Sieger ist die bisherige national-konservative Oppositionspartei unter ihrem 35-jährigen Vorsitzenden Nikola Gruevski. Seine Partei wird stimmenstärkste Kraft im 120 Sitze zählenden Parlament, verfügt aber über keine absolute Mehrheit. Im Parlament vertreten sein, werden künftig acht Parteien und Wahlbündnisse. Wahlberechtigt waren 1,7 Millionen Bürger. Die Wahl selbst verlief von einigen Zwischenfällen abgesehen fair und demokratisch; das war eine der Bedingungen der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Wie eine künftige Regierung in Mazedonien aussehen könnte, darüber berichtet aus Skopje unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Trotz der geringen Zahl an Wählern liegt in Mazedonien 16 Stunden nach Wahlschluss noch kein Endergebnis vor. Das zeigt die Schwäche der Verwaltung, erschwert aber auch die Analyse. Nach vorläufigen Angaben der staatlichen Wahlkommission kommen die bisher regierenden Sozialdemokraten und ihre mazedonischen Koalitionspartner nur mehr auf 32 Mandate; die Niederlage ist das Ergebnis der tristen sozialen Lage sowie von Abspaltungen, die die Sozialdemokraten Stimmen kosteten. Stärkste Kraft ist die national-konservative Partei VMRO-DPMNE mit 44 Mandaten. Diese am Balkan einzigartige Abkürzung für eine Partei verweist auf die revolutionäre Tradition dieser Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nationalistische Strömungen waren noch bis zur Niederlage vor vier Jahren sehr stark; doch dem ehemaligen Finanzminister und Parteivorsitzenden Nikola Gruevski gelang es, die VMRO-DPMNE in die Mitte zu führen und auch für EU und NATO zu einem Partner zu machen. Die Öffnung bezahlte Gruevski mit der Abspaltung alter Kader unter dem früheren Regierungschef Ljubco Georgjevski; seine Splitterpartei gewann sechs Sitze, dürfte aber zu keiner Koalition mit der ehemaligen Mutterpartei bereit sein. Doch Gruevski braucht mindestens 61 Mandate für eine absolute Mehrheit; traditioneller albanischer Koalitionspartner der VMRO-DPMNE war die Partei DPA. Sie blieb mit etwa 11 Sitzen nur zweitstärkste albanische Kraft. Daher benötigt Gruevski entweder noch eine dritte Kleinpartei oder er koaliert mit der albanischen Partei BDI; sie war bisher Partner der Sozialdemokraten in der Regierung und blieb mit 18 Sitzen stärkste albanische Kraft. Honoriert haben die Albanern offensichtlich, dass die BDI unter Ali Ahmeti bei der Gleichstellung mit der mazedonischen Mehrheit viel erreicht hat. Doch der ehemalige Freischärler Ahmeti war bisher für die VMRO-DPMNE ein rotes Tuch. Kommt es daher zur Zusammenarbeit, würde das die Aussöhnung zwischen beiden Volksgruppen zweifellos vorantreiben. Gruevski wollte sich dazu noch nicht klar äußern; die neue Regierung soll jedoch binnen vier Wochen stehen. Ihre zentralen Aufgaben werden der Kampf gegen Korruption, sowie die Reform von Justiz und Verwaltung sein, damit endlich nennenswerte ausländische Investoren ins Land kommen. Denn eine bessere wirtschaftliche und soziale Lage sind die Voraussetzung dafür, dass Mazedonien ein wirklich stabiler und EU-reifer Staat werden kann.

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