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Berichte Nord-Mazedonien
In Mazedonien ist es derzeit gleich in doppelter Hinsicht ruhig. Denn nicht nur der Waffenstillstand zwischen albanischen Rebellen und mazedonischen Freischärlern wird eingehalten, auch die politischen Parteien beider Volksgruppen sowie die internationalen Vermittler gönnen sich heute eine Verhandlungspause. Denn heute ist mazedonischer Staatsfeiertag und die Gespräche über einen politischen Ausgleich sollen offiziell erst am Montag fortgesetzt werden. Erreicht wurde gestern bei den Gesprächen in Ohrid eine Grundsatzeinigung in einem der schwierigsten Punkte, dem Sprachestreit. Aus Skopje Christian Wehrschütz:

Der Kompromiß sieht vor, daß die albanische Sprache aufgewertet wird, ohne ihr in der Verfassung auch den Status einer offiziellen zweiten Staatssprache einzuräumen. Aber in allen Regionen Mazedoniens, wo min-destens 20 Prozent der Bevölkerung Albanisch sprechen, wird diese Sprache praktisch einen offiziellen Status erhalten. Öffentliche Dokumente werden dann auch auf Albanisch ausgestellt und auch vor mazedonischen Bundesbehörden in diesen Regionen kann Albanisch gebraucht werden. Vor Gericht wird auf Staatskosten ein Dolmetscher bereit gestellt, sollte ein Albaner das verlangen. Zugelassen wird die albanische Sprache auch im Parlament. Auch Gesetze sollen künftig in albanischer Sprache kundgemacht werden. Nicht geben wird es eine rein albanische Universität und auch an der Dominanz des Mazedonischen in der Zentralverwaltung wird sich kaum etwas ändern. Außerdem bleibt Mazedonisch formell die einzige offizielle Staatssprache und damit die Sprache des internationalen Schriftverkehrs. Hinzu kommt, daß Albanisch ausdrücklich gar nicht erwähnt wird; denn im Verhandlungspapier ist immer nur die Rede von einer anderen Sprache, die mindestens auch von 20 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird; das sind jedoch nur die Albaner, denn alle anderen Minderheiten in Mazedonien sind weit kleiner. Ebenfalls geeinigt haben sich Albaner und Mazedonier auf eine gleichmäßige Vertretung in öffentlichen Ämtern, die der Stärke beider Volksgruppen entsprechen soll. Bei Gesetzen, die Kultur, Sprache und Erziehung betreffen, soll eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sein. All diese Grund-

satzeinigungen treten jedoch nur in Kraft, wenn die beiden Parteien auch in allen anderen noch offenen Fragen einen Kompromiß erzielen. Dazu zählt vor allem die Frage, wem die lokale Polizei unterstellt sein soll. Die Albaner fordern die Zuständigkeit der Gemeinden; doch das lehnen die Mazedonier ab. Sie fürchten, daß dadurch der Zusammenhalt des Gesamtstaates gefährdet werden könnte und beharren darauf, daß die Polizei weiterhin in der Kompetenz des Innenministeriums in Skopje verbleibt. Noch nicht völlig klar ist, ob auch die albanischen Freischärler dieser Einigung zustimmen; vor allem der Sprachenkompromiß und die noch zu regelnde Frage der Polizei könnten hier zum Stolperstein werden. Als weitere Hürde auf dem Weg zu einem politischen Ausgleich ist noch das Parlament zu nennen, daß diese grundlegende Reform des Staates noch billigen muß. Denn die Stimmung unter den Mazedoniern ist derart aufgeheizt, daß die mazedonischen Partei-führer noch viel Überzeugungsarbeit bei ihren Abgeordneten und in der Bevölkerung werden leisten müssen. Wie stark die Trennung zwischen Albanern und Mazedoniern ist, dürfte sich auch heute wieder zeigen. Denn heute ist mazedonischer Staatsfeiertag; doch die Erinnerung an den Aufstand gegen die Türken im Jahre 1903 feiern in der Regel nur die Mazedonier, während in albanischen Gemeinden mazedonische Fahnen praktisch nicht zu sehen sind.

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