20231023 ORFIII Montenegro und Beitrittsverhandlungen
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Montenegro
Insert1: Darko Brnovic, Erzeuger von Champions in Montenegro
Insert2: Ana Novakovic-Djurovic, amtierende Ministerin für EU-Fragen
Insert3: Ana Novakovic-Djurovic, amtierende Ministerin für EU-Fragen
Insert4: Nikoleta Djukanovic, Politpologin in Podgorica
Gesamtlänge: 4’25
Mehr als eine Milliarde Euro hat die EU in den vergangenen 15 Jahren in die Modernisierung Montenegros investiert; ein Beispiel ist diese Fabrik bei Podgorica; sie zählt zu den vier großen Herstellern von Champions im Land. Ein Drittel der Maschinen hat die EU kofinanziert; das sind etwas mehr als 400.000 Euro; zehn Frauen haben Arbeit gefunden; ohne EU wäre das nicht möglich gewesen;
2'49'6 - Bedeutung der EU-Mittel - 3'25'1
"Ohne EU-Mittel ginge es nicht, weil der Markt sehr klein und die Investitionen groß sind. So ist das System der Belüftung dasselbe, ob ich 500 Kilo oder fünf Tonnen täglich ernte; alles ist sehr teuer."
Nach Umfragen sind 80 Prozent der Bevölkerung für den EU-Beitritt, doch die Verhandlungen verlaufen im Schneckentempo; zwar sind alle 33 Kapitel eröffnet, doch nur zwei vorläufig geschlossen:
3'14'0 - 3'51 - Verhandlungstempo und Gründe 4'29 - 5'07'1
"Natürlich hätten die früheren Regierungen mehr tun können, doch auch die Erweiterungspolitik der EU hatte ihre Phasen. Dazu zählt die Änderung der Methodologie der Verhandlungen, und so führen wir seit drei Jahren die Gespräche in einem ganz anderen Rahmen. Montenegro könnte sofort vier bis fünf Kapitel vorläufig abschließen, doch das ist derzeit unmöglich, weil zuvor die Kapitel Justiz und Grundrechte abgeschlossen sein müssen. Und das hängt daran, dass das Parlament den siebenten Richter am Verfassungsgerichtshof noch nicht gewählt hat, für den es eine Drei-Fünftel-Mehrheit braucht."
Ob diese Wahl demnächst gelingt, ist fraglich; die Regierungsbildung steht zwar bevor, doch es wird eine Minderheitsregierung sein; politische Stabilität ist daher unwahrscheinlich:
5'20'1 - Erwartungen Bürger und Politik - 6'02'2
"Die jüngsten Ereignisse bei der Bildung einer neuen Regierung lassen die Frage offen, ob eine Minderheitsregierung bei der EU Ergebnisse erzielen kann. Doch im Parlament müssten die politischen Parteien ihre Bereitschaft zeigen, die Blockade bei der Wahl dieser Justizbeamten aufzuheben. Dann könnten wir auch bei anderen Verhandlungskapiteln weiterkommen."
Sicher ist, dass die Tage der Ministerin gezählt sind, weil ihre Partei URA der neuen Regierung nicht angehören wird. Stärkste Kraft im Kabinett wird die Partei „Europa jetzt“ und Milojko Spajic und dem amtierenden Staatspräsidenten Jakuv Milatovic sein; beide begannen ihre politische Karriere vor drei Jahren unter einem Regierungschef, der ganz enge Beziehungen zur serbisch-orthodoxen Kirche unterhielt. Diese Kirche ist bis heute ein wesentlicher Machtfaktor und keineswegs ein Freund von EU und insbesondere der NATO; hinzukommt, dass nun mit Andrea Mandic ein Mann Parlamentspräsident wird, der ein klar großserbische Vergangenheit hat; doch in Serbien ist die NATO ein Feindbild:
14'40'5 - Verhältnis zu NATO und EU - 16'11'9
"Auch in Montenegro schlägt das Herz eines bestimmten Teils der Bevölkerung nicht viel anders als in Serbien. Leider konnte insbesondere der Einfluss der Kirche nicht dazu führen, diese Wandlungen zu stoppen. Das gilt auch für das Wertesystem. Sie sagten, dass alle Parteien dafür seien, dass Montenegro weiter Mitglied der NATO bleibt; doch ich glaube nicht, dass dem wirklich so ist, weil gerade das Herz jener Politiker, die früher der Demokratischen Front angehörten, aber auch in anderen Parteien, etwas anderes spricht. Mir scheint, dass diese Politiker nur auf den Moment warten, dass etwas geändert werden und die Einfluss Belgrads zum Tragen kommen kann. Dasselbe gilt für die EU; ich glaube, dass die Versprechungen der Parteien, Montenegro in die EU zu führen, ohne Inhalt und leer sind; das ist nur etwas, dass die Bürger gerne hören, weil doch mehr als 80 Prozent für den Beitritt zur EU sind."
Wie das Herz mancher Politiker schlägt, zeigen ihre Büros; sie zieren Bilder des sowjetischen Marschalls Schukow oder des russischen slawophilischen Dichters Dostojewskij; nicht einmal eine Fahne der EU war hier zu finden, Montenegros Westorientierung könnte somit tatsächlich auf dem Prüfstand stehen.