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Kommt es zu einem Regierungswechsel in Montenegro?

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Berichte Montenegro

Endet nach 25 Jahren die Herrschaft der Regierungspartei DPS unter Staatspräsident Milo Djukanovic? Diese Möglichkeit besteht jedenfalls seit der Parlamentswahl am Sonntag. Denn die DPS ist mit 30 Mandaten zwar weiter relativ stärkste Kraft; doch mit ihren möglichen Koalitionspartnern – zwei sozialdemokratischen Kleinparteien und den Parteien nationaler Minderheiten – kommt die DPS nur auf 40 Sitze, das ist ein Mandat unter der absoluten Mehrheit. Dazu beigetragen hat der Umstand, dass vorgestern zwei Parteien der kroatischen Minderheit antraten, die getrennt marschierten und getrennt geschlagen wurden. Denn sie verfehlten den niedrigen Zensus, der für diese Minderheit gilt, um ein Mandat zu gewinnen. Bisher waren die Kroaten stets Koalitionspartner von Milo Djukanovic.

Demgegenüber stehen drei Oppositionsbündnisse mit 41 Mandaten im Parlament in Podgorica, das 81 Abgeordnete zählt. Ob es tatsächlich zu einem Machtwechsel in der Regierung kommen wird, ist derzeit aus mehreren Gründen noch unklar. Denn weltanschaulich ist die Opposition sehr heterogen; sie reicht von prorussischen serbischen Nationalisten bis zu Anhängern der NATO-Mitgliedschaft von Montenegro. Außerdem will die Oppositionspartei URA eine Regierung aus Experten, eine Forderung, die nicht bei allen möglichen Partnern auf Gegenliebe stößt. Zweitens liegt noch kein Endergebnis vor; Einsprüche gegen das Wahlergebnis in einzelnen Sprengeln könnten zu Wiederholungen der Wahl und auch zu Änderungen im Mandatsstand führen und zu den Kräfteverhältnissen in Parlament führen.

All das ändert nichts an der Tatsache, dass zum ersten Mal seit 25 Jahren die Anhänger proserbischer Parteien Grund zum Jubeln hatten. Gefeiert wurde lautstark, mit serbischen Fahnen und Rufen wie „Milo (Djukanovic) Gauner“ oder „Milo ist fertig“. Gemäßigt gab sich der Spitzenkandidat der proserbischen Kräfte,: „Volk von Montenegro“ – Die Freiheit ist da; nach 31 Jahren absoluter Macht musste das geschehen. Unser erstes Ziel ist es, die Hand zur Versöhnung zu reichen; sie muss die Basis unseres Zusammenlebens sein.“

Krivokapic rief auch die Parteien der bosnischen und albanischen Minderheiten auf, sich der Opposition anzuschließen; sollte diese Parteien die Seite wechseln, würde das die Mehrheit einer von der bisherigen Opposition geführten Regierung deutlich verbreitern.

Bekannt wurde der 62-jährige Professor an der Fakultät für Maschinenbau und Vater von fünf Kindern in der Zeit der Massenproteste der orthodoxen Gläubigen gegen das Gesetzt, mit dem die Eigentumsrechte der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro drastisch beschnitten hätten werden sollen. Zdravko Krivokapic marschierte oft an der Spitze der Demonstrationen; er soll sehr enge Beziehungen zu Metropolit Amfilochie (Radovic) haben. Amfilochije wählte vorgestern zum ersten Mal seit dem Referendum zur Unabhängigkeit Montenegros von Serbien im Jahre 2006; damals war die Kirche klar gegen die Unabhängigkeit, während sie sich nun im Wahlkampf massiv engagierte. Hinzu kam die massive Unterstützung aus Serbien, dessen Medien in alle Form für die Opposition agitierten. Doch die Opposition führte auch einen ausgezeichneten Wahlkampf; die serbischen Nationalisten traten kaum auf, und die Botschaften der Opposition und von Krivokapic waren sehr versöhnlich und maßvoll.

Außerdem herrschte in dem Land wegen Korruption, Nepotismus und Parteibuchwirtschaft auch eine gewisse Wendestimmung, die die Corona-Pandemie noch verstärkte. Der Tourismus, mit Abstand der wichtigste Wirtschaftszweig, ist massiv getroffen – nicht zuletzt durch das Ausbleiben der Massen an russischen Touristen - die das Land in den vergangenen Jahren bevölkerten. Hinzu kam noch die indifferente Haltung der EU, die keine klare Erweiterungsperspektive aussendet, so dass auch die prowestliche Rhetorik von Milo Djukanovic nicht griff, dessen System ebenfalls als Hindernis auf dem Weg nach Brüssel aufgefasst wird. Zu den negativen Begleiterscheinungen des Wahlergebnisses zählt, dass Montenegro nun nicht nur eine massive Wirtschaftskrise bevorsteht, sondern möglicherweise auch politische Instabilität. Positiv ist, dass eine junge Generation seit vorgestern weiß, dass Wahlen etwas verändern können.

Stimmberechtigt waren 540.000 Bürger; die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 76 Prozent. Nach Ansicht internationaler Wahlbeobachter der OSZE – der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa - verlief der Wahltag ohne ergebnisrelevante Unregelmäßigkeiten. Kritisiert haben die Beobachter, dass die Regierungspartei im Wahlkampf auch staatliche Ressourcen einsetzte, um für sich Stimmung zu machen. Der OSZE-Bericht bedauert, dass eine mangelnde Gesetzgebung und das das Fehlen einen unabhängigen Medienkontrolle einen derartigen Missbrauch ermöglichen würden.

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