Montenegro zehn Jahre unabhängig
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Berichte Montenegro
Vor einigen Tagen wollte Ministerpräsident Milo Djukanovic im Parlament in Podgorica eine Rede halten; doch dazu kam es nicht: …. Als Dieb und damit Gauner beschimpfte ihn ein Teil der Opposition. Handgreiflichkeiten zwischen den Abgeordneten konnten gerade noch vermieden werden. In Montenegro wird das politische Klima knapp drei Monate vor der Parlamentswahl deutlich rauer. Einerseits stehen die Chancen von Djukanovic und seiner Partei DPS derzeit schlecht, die absolute Mehrheit gewinnen zu können; anderseits ist die Opposition weiter zerstritten und das schmälert wiederum ihre Chancen. Die politische Lage in Montenegro beschreibt in Podgorica der langjährige Diplomat und Außenminister Branko Lukovac so:
„Die Bildung einer Alternative bürgerlich orientierter Parteien steht erst am Beginn. Daher halte ich es für unwahrscheinlich, dass es nach der Parlamentswahl im Oktober zu einer Ablöse der Regierungspartei DPS kommen wird, die bereits seit mehr als 25 Jahren an der Macht ist. Natürlich ist das ein Nachteil für die demokratische Entwicklung Montenegros, weil das Prinzip der Abwählbarkeit einer Regierung noch nicht verwirklicht worden ist. Dieser Wesenszug der Demokratie steht Montenegro leider erst noch bevor.“
Milo Djukanovic wurde 1991 mit 29 Jahren Regierungschef und auch 25 Jahre später, als nunmehr 54-jähriger, führt der großgewachsene Politiker Montenegro noch immer. Vor 10 Jahren führte er Montenegro in die Unabhängigkeit, nun in die NATO und auch bei den EU-Beitrittsverhandlungen liegt Montenegro klar vor Serbien, obwohl das Verhandlungstempo nicht berauschend ist. Die Schattenseiten dieser Erfolge schildert Branko Lukovac:
„Zu den negativen Erscheinungen zählt, dass das System der Parteienherrschaft in diesen zehn Jahren unverändert blieb. Der enorme Nepotismus zählt daher zu den Krebsübeln in Montenegro. Parteibuchwirtschaft, politische Loyalitäten und Freunderlwirtschaft sind viel wichtiger als die konkreten Fähigkeiten einer Person. Da braucht es radikale Änderungen durch ein Wertesystem, das die Qualifikationen einer Person in den Vordergrund stellt.“
Begünstigt werden diese, nicht nur am Balkan bestehenden Missstände, durch die Kleinheit Montenegros, das in Größe und Einwohnerzahl mit Tirol vergleichbar ist. Negativ bemerkbar macht sich die Parteibuchwirtschaft bei den EU-Beitrittsgesprächen, weil oft qualifizierte Beamte fehlen. Versäumt hat es die Regierung in den zehn Jahren Unabhängigkeit auch, für eine gleichmäßige Entwicklung zu sorgen, kritisiert, Branko Lukovac:
„Leider wurde auch nichts getan, um die großen regionalen Entwicklungsunterschiede zwischen Norden und Süden zu verringern; im Gegenteil; diese Unterschiede zwischen ländlichem Raum und dem Küstenland haben sich noch vergrößert; das führt zur Abwanderung und Auswanderung aus dem Norden Montenegros. Viele Hoffnungen werden jetzt auf den Bau der Autobahn in den Norden gesetzt; doch das ist ein außerordentlich teures Projekt und unklar ist, wann der Bau fertig sein wird. Rückschritte gab es leider auch beim Umweltschutz, der auf das Marketing beschränkt blieb. Nehmen sie etwa Baugenehmigungen selbst in Naturschutzgebieten als Beispiel, deren Größe aus diesem Grund verringert wird.“
All diese Versäumnisse der Regierung konnte die Opposition bisher nicht wirklich nutzen. Einerseits ist sie zerstritten, ist ihr personelles Angebot beschränkt, andererseits vielfach gekauft und selbst korrumpiert. Daher konnte sich Milo Djukanovic bisher behaupten, der wohl zu den fähigsten Machtpolitikern des gesamten Balkan zählt.