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Montenegros Herausforderungen auf dem Weg Richtung EU

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Berichte Montenegro
Seit Juni 2012 verhandelt die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Montenegro mit der EU über den Beitritt. Zunächst gab es nicht besonders viel Bewegung in den Verhandlungen, die nun aber doch an Tempo zugelegt haben. In den ersten 18 Monaten konnten nur zwei leichte von insgesamt 33 Kapiteln vorläufig geschlossen werden; doch Mitte Dezember stimmte Brüssel der Öffnung von weiteren fünf Kapiteln zu; dazu zählen auch die besonders heiklen Kapitel Justiz und Grundrechte sowie der Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Aus der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Damit Montenegro ein Verhandlungskapitel mit der EU eröffnen kann muss es bestimmte Richtwerte erfüllen. Im Falle des Justiz-Kapitels zählte dazu eine Änderung der Verfassung. Verfassungsrichter oder der Generalprokurator werden nun vom Parlament mit qualifizierter Mehrheit gewählt. Dieser Wahlmodus soll die Opposition stärken, die Justiz entpolitisieren und transparenter machen. Doch diese Wahlen müssen erst erfolgen; auch daher bewertet der Leiter der EU-Delegation in Montenegro, Mitija Drobnic, der zuvor slowenischer Botschafter in Berlin war, den Stand der Justizreform so:

„Es ist noch nicht viel geschehen, aber wir sollen vielleicht geduldig sein, das Land kann nicht alles auf einmal. Die Justiz ist im Umbruch, das kann man schon feststellen dieser Umbruch wird geschehen durch institutionelle Veränderungen aber auch durch personelle Veränderungen. Wir können feststellen, dass der Prozess angelaufen ist.“

Nicht nur beim Justizkapitel leidet Montenegro unter seiner Kleinheit. Das Land zählt nur 600.000 Einwohner; jeder kennt jeden, jeder weiß etwas über den anderen; Elitenkonkurrenz fehlt, weil der 51-jährige Ministerpräsident Milo Djukanovic seit 1998 regiert. Djukanovic profitiert von den Eifersüchteleien unter den Oppositionsparteien; auch sieben Jahre nach der friedlichen Loslösung von Serbien haben sie keinen gemeinsamen staatstragenden Nenner gefunden; der wäre umso wichtiger, weil viele bezweifeln, dass eine tiefgreifende Korruptionsbekämpfung ohne Machtwechsel möglich sein wird. Beschränkt sind noch die Kapazitäten der Beamtenschaft; daher betont Mitija Drobnic:

„Besser Ausbildung, die wird das Land brauchen auch für später, wenn es der EU schon beigetreten ist; dieser Prozess braucht eine neue Generation von Leuten, die englisch nicht als Fremdsprache sprechen, sondern als Arbeitssprache; die braucht man alleine, um die Informationen zu sammeln, die notwendig sind, und dann natürlich als Vollmitglied, um im Rahmen der Institutionen gut zu funktionieren.“

Seine Nachteile versucht Montenegro durch gründliche Planung der Verhandlungen zu kompensieren. Aus Vorbeitrittsmitteln standen bisher 37 Millionen Euro pro Jahr zu Verfügung, die fast vollständig genutzt wurden. Im Auge hat Montenegro aber auch bereits den Geldsegen, der nach Beitritt zu erwarten ist; dazu sagt der Chefverhandler mit der EU, Alexander Pejovic

„Nun haben wir auch die Vorbereitung für das Kapitel Regionalpolitik eröffnet, um dereinst die EU-Strukturfonds zu nutzen, die sehr viel Geld beinhalten. Zur Vorbereitung zählt die Frage, wie wir diese Leute in der Verwaltung halten können, die sich mit diesen Fonds befassen. Denn wir wollen niemanden verlieren, in dessen Ausbildung wir viele Jahre investiert haben.“

Bis zum EU-Beitritt werden wohl noch acht bis zehn Jahre vergehen. Die EU-Annäherung erfordert von den Ländern des Balkan eine umfassende Modernisierung von Staat und Gesellschaft, die einfach Zeit braucht; ein steiniger Weg, bei dem Montenegro langsam aber doch Fortschritte zu verzeichnen hat.

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