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„Diebe“, „Kriminelle“, „Feiglinge“, Schakale“, „Verräter“ – hart, dafür aber nicht herzlich war die Kampagne für die vorgezogene Parlamentswahl in Montenegro. Die rauhen Töne entsprechen dem eher mediterranen Temperament der Montenegriner, zeigen aber auch, daß der politische Einsatz hoch ist. Denn die DPS, die Partei von Präsident Milo Djukanovic und ihr Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, könnten zum ersten Mal seit fünf Jahren die Macht verlieren. Zwar erreichte Djkanovic mit dem Belgrader Vertrag ein hohes Maß an Unabhängigkeit für Montenegro, mußte unter Druck der EU aber für drei Jahre auf die Loslösung von Serbien verzichten. Die kleine Liberale Union, die am kompromißlosesten für die Selbständigkeit eintritt, entzog daraufhin Djukanovic ihre Unterstützung. Seit April hat dessen Regierung keine Mehrheit mehr im Parlament. Die Liberalen wandten sich sogar dem pro-serbischen Block zu, übernahmen die Macht in fünf Städten und schwächten Djukanovics Einfluß in den staatlichen Medien. Im Wahlkampf beschuldigten die Liberalen die Regierung vor allem der Korruption. Vesna Perovic, Liberale und Parlamentspräsidentin, sagt dazu:
„Durch ihre Geschäfte und den Verkauf von Zigaretten, Öl und ähnlicher Dinge machten sie etwa fünf Prozent der Bevölkerung zu Superreichen, während alle Städte und Bürger drastisch herunterkamen. Fast seit einem Jahr streiken bereits die Lehrer, weil sie ein Monatsgehalt von 300 Euro haben, gleichzeitig tragen die bekanntesten Vertreter der Machthaber Krawatten, die ebenso viel kosten.“
Auch der pro-serbische Block unter Predrag Bulatovic zog die Konsequenzen aus dem vorläu-figen Verzicht auf die Unabhängigkeit und konzentrierte sich in seiner Kampagne vor allem auf wirtschaftliche und soziale Themen. Predrag Bulatovic:
„Montenegro ist in einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage. Vor dem Nichts stehen viele Arbeitslose und viele sind von staatlicher Sozialhilfe abhängig. Das ist die Lebensfrage Nummer eins. Zu den wichtigsten Fragen zählen auch der Aufbau eines Rechtsstaates, die Demokratisierung Montenegros und wirkliche, richtige Reformen.“
Tatsächlich hat Montenegro noch einen weiten Weg zu sozialer Marktwirtschaft und Rechts-staat vor sich. Doch Schattenwirtschaft, Schmuggel, schlechte Steuermoral und nicht zuletzt westliche Finanzhilfe mindert die triste Lage.
Präsident Milo Djukanovic setzte in seinem Wahlkampf auf außenpolitische Erfolge sowie auf erfolgreiche Ansätze beim Wiederaufbau von Tourismus und Landwirtschaft. Djukanovic will das dreijährige Moratorium nutzen, um Montengro auch wirtschaftlich reif für die Unab-hängigkeit zumachen. Ob sich seine Regierung behaupten kann, ist nicht voraussagbar. Denn es gibt nur 455.000 Wähler, dafür aber 10 Gruppen, die um die 76 Parlamentssitze kämpfen und eine Drei-Prozent-Klausel. Daher sind Umfragen besonders schwierig, wie der Belgrader Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic erläutert:
„In Montenegro erhält eine Partei die 12.000 Stimmen bekommt bereits vier Mandate. Jede Stichprobe hat bei Umfragen Fehlerquellen, doch plus - minus 2000 Stimmen auf oder ab ist für die Statistik bedeutungslos, doch für den Einzug ins Parlament ist das entscheidend.“
Doch gerade Erfolg oder Scheitern von Kleinparteien kann darüber entscheiden, welcher der beiden Blöcke gewinnt.