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In der Ära des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic

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In der Ära des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic hat sich die kleinere Teilrepublik Montenegro immer stärker von Belgrad und dem Einfluß Serbiens gelöst. Schritt für Schritt wurden Zuständigkeiten übernommen, die bisher von der Bundesregierung in Belgrad wahrgenommen wurden. Drei Jahre nach dem Bruch mit Milosevic, verlor dieser die Präsidenten-wahl erkannte schließlich die Niederlage an und mußte dem Wahlsieger Vojislav Kostunica weichen. Doch Kostunicas Sieg und seine Aussage, die Streitkräfte nicht gegen Montenegro einzusetzen, haben die Debatte über die Unabhängigkeit erst so richtig angefacht. Denn die Frage der Eigenständigkeit Monte-negros ist weit älter als der Konflikt mit Milosevic, der in dieser Hinsicht allerdings als Initialzündung wirkte. Zwischen 1878 und 1918 bestand Montenegro als eigenständiger Staat und der Anschluß an Serbien nach dem Ersten Weltkrieg war nicht unumstritten. Nunmehr wird wieder über das Verhältnis zu Serbien diskutiert. Getrennt hat sich Monetenrgo von Serbien bereits, was die gemeinsame Währung betrifft, denn Mitte November wurde die DM als einziges Zahlungsmittel eingeführt. Unser Jugoslawien-Korrespondent hat sich in Montenegro umge-sehen und folgenden Bericht gestaltet:

Text:

Hart wie die Deutsche Mark klingt seit Mitte November das Kleingeld in Montenegro. Hart wie die Mark ist Montenegros Währung auch, denn die kleinere jugoslawische Teilrepublik hat Mitte November die DM als offizielle Währung eingeführt. Begonnen hat alles vor einem Jahr als die DM offiziell zur Parallelwährung zum Dinar erklärt wurde, um den Einfluß des damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zu beschränken, mit dem Montenegros Präsident Milo Djukanovic vor drei Jahren gebrochen hat. Binnen kurzer Zeit verdrängte die DM den Dinar aus dem Geschäfts- und Alltagsleben. In einem Kaffeehaus in Podgorica, dem London Pub, im Zentrum der Haupt-stadt, bezahlen die Gäste ihren Capuccino und ihr Mineral-wasser nun so:

„Wie viel ?, 5 Mark und 40 Pfennig.“

Und was sagen die Gäste zur DM als Währung ?

A:

„Bereits seit einem Jahr gibt es keine Probleme. Löhne, Preise sind in DM und nun haben wir offiziell keine Dinar. Aber wir hatten sie bereits praktisch nicht mehr im Umlauf. Es hat sich also nichts geändert, alles ist normal. 90 Prozent der Preise sind stabil. Marktpreise gehen rauf und runter, aber grundlegende Güter haben konstante Preise.“

Sein Kollege mit dem er seinen morgentlichen Kaffee trinkt ist derselben Meinung:

B:

„Es ist bereits zum System geworden seit einem Jahr. Einige Zeit war es nicht so gut, weil es nicht genug DM-Münzen gab in den Geschäften, aber nun ist alles normal. Die Gehälter in Montenegro werden auch in DM ausbezahlt. Ich denke das die Preise ziemlich stabil sind, ich habe kein vollständiges Bild, aber was Lebensmittel und ähnliche Dinge betrifft, ist alles OK.“

Auch in allen anderen Geschäften der Stadt oder an Kiosken wird mit DM und Pfenning bezahlt. So kosten die vom Parlament herausgegebene Zeitung „Pobjeda“, zu deutsch „Sieg“ 40 Pfen-nig, also knapp drei Schilling. Auch auf der Speisekarte im Parlamentsrestaurant sind alle Preise nur mehr in DM ange-schrieben; ein Becka snicla, ein Wienerschnitzel kostet die Abgeordneten 2 DM 50, etwa 18 Schilling, der Tomatensalat kostet 60 Pfennig also 4 Schilling 20. Obwohl das offizielle Durchschnittseinkommen in Montenegro im Monat bei etwa 1500 Schilling liegt, sind die Preise im Parlamentsrestaurant be-sonders günstig, weil sie offensichtlich subventioniert werden.

Beschlossen haben die Abgeordneten die Umstellung der Preise auf ihrer hauseigenen Speisekarte mit dem Gesetz über die Nationalbank, die Montenegro jüngst gegründet hat. Für die Währungsumstellung verantwortlich war Dimitrije Vesovic von der Nationalbank. Doch was macht Montenegro, wenn in zwei Jahren die Mehrheit der EU auf den Euro umstellt und die DM verschwindet ? Dimirtije Vesovic sagt dazu:

„Es gibt zwei Alternativen; wir könnten die DM behalten, doch das würde zu Problemen führen, weil die DM in Europa nicht mehr existiert. So könnten wir die Währung eines anderes Staates nehmen, der nicht EU-Mitglied ist. Das realistische ist aber, daß wir auf die selbe Weise, wie wir die DM einführ-ten dann den Euro einführen in dem wir sagen: hier sind 100 Millionen Mark, gebt uns 50 Millionen Euro. Vielleicht können wir das inoffiziell mit der EU vereinbaren, aber natürlich mit dem Einverständnis der EU, daß der Euro in Montenegro als Währungseinheit besteht, obwohl wir kein EU-Mitglied sind.“

Doch das ist Zukunftsmusik; Realität ist jedoch, daß jugosla-wische Soldaten und Pensionisten ihre Bezüge in DM erhalten und daß serbische Unternehmen ebenso in harter Währung bezah-len müssen wie serbische Touristen, die zum Winterurlaub nach Montenegro kommen wollen. In Serbien sieht man daher die Währ-ungsumstellung auch als weiteren Schritt zur Unabhängigkeit der kleineren jugoslawischen Teilrepublik. Montenegros Präsi-dent Milos Djukanovic will die internationale Anerkennung, ist aber bereit, mit Serbien über eine neue Union zu verhandeln. Djukanovics außenpolitischer Berater, Milan Rocan, erläutert die Haltung des Präsidenten:

„Seit drei Jahren funktioniert Montenegro als unabhängiger Staat. Heute hat Montenegro seine Souveränität in der Geld-politik, im internationalen Handel, beim Zoll und bei der Sicherheitspolitik. Es ist schwer zu glauben, daß irgendwer in Montenegro akzeptieren würde, daß all diese Kompetenzen wieder auf Bundesebene angesiedelt werden sollen. Das gilt sogar für die pro-serbischen Kräfte im Land. Wir gehen daher einfach von der Realität aus. Wir denken, daß Serbien und Montenegro als alte europäische Staaten, international anerkannt werden sollten. Von dieser Position aus sollte dann eine Vereinbarung über gemeinsame Kompetenzen gefunden werden.“

Djukanovic schlägt vor, daß die neue Union aus Serbien und Montenegro über eine gemeinsam Außen-, Verteidigungs- und

Wirtschaftspolitik verfügen soll. Verhandeln will Djukanovic darüber nur mit Serbien, nicht aber mit dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica. Djukanovics innenpolitischer Berater, Miodrag Vukovic, erklärt warum:

„Wir sprechen nur mit Serbien, denn wir erkennen dieses Jugoslawien nicht an. Wir warten auf die Demokratisierung Serbiens und werden versuchen, auf legale Weise mit den legitimen Staatsorganen Serbiens über eine neue Union zu verhandeln, die aus zwei international anerkannten Staaten bestehen soll.“

Verhandelt werden soll mit Serbien nach der Parlamentswahl am 23. Dezember. Nicht anerkannt wird die jugoslawische Regierung durch Montenegro, weil die Wahl des Bundesparlaments auf der Basis einer einseitigen Verfassungsänderung vorgenommen wurde, die Slobodan Milosevic veranlaßt hatte. Vukovic macht klar, daß die Mehrheit der Koalitionsregierung eher Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung akzeptieren würde, als von diesen Positionen abzugehen. Denn der kleine Koalitionspartner, die Volkspartei, ist pro-serbisch und gegen die Unabhängigkeit. Doch im Parlament verfügen die Kräfte über eine Mehrheit, die für ein selbständiges Montenegro sind, weil auch eine kleine Oppositionspartei und die zwei Abgeordneten der albanischen Minderheit diesen Kurs stützen.

Einig sind sich alle Parteien, daß über die Zukunft Monte-negros die Bevölkerung in einer Volksabstimmung entscheiden soll. Dieses Referendum soll unabhängig vom Ausgang der Ver-handlungen und von der Haltung der internationalen Staaten-gemeinschaft bis spätestens Juni stattfinden. Djukanovics Berater Miodrag Vukovic sagt dazu:

„Über das Schicksal Montenegros entscheiden nur die Bürger Montenegros. Wir akzeptieren, was die internationale Staaten-gemeinschaft denkt, akzeptieren die Gefühle in Serbien und in den Nachbarstaaten. Wir sind ein demokratisches Land. Aber Sie wissen, über das Schicksal Frankreichs entscheidet nicht Deutschland, und auch die Niederlande entscheiden nicht über das Schicksal Belgiens. Über das Schicksal eines Staates entscheiden nur die Bürger dieses Staates.“

Für das Referendum ist auch die Bevölkerung, wie folgende zwei Beispiele zeigen:

C:

„Ich denke, daß der Volkswille zum Ausdruck kommen muß. Wenn die Mehrheit für ein unabhängiges, demokratisches, souveränes Montenegro ist, so soll es sein: Es hängt vom Volk ab. Ich weiß, was ich möchte. Ich denke, daß wenn jeder Herr in seinem Haus ist, dann können wir gute Beziehungen herstellen.“

D:

„Ich finde je früher desto besser. Wie zwei Brüder in einem Haus sich eines Tages trennen, so denke ich, daß Montenegro seinen eigenen Staat haben und, seinen eignen wirtschaftlichen und nationalen Interessen folgen muß. Niemand hat das Gefühl der Trennung, denn schließlich ist Montenegro auch in das erste Jugoslawien als unabhängiger Staat eingetreten. Ich denke, daß das Referendum 70 zu 30 oder 60 zu 40 für ein unabhängiges Montenegro ausgehen wird.“

Nicht so eindeutig wie die Haltung dieser beiden Montenegriner dürfte die Meinung der gesamten Bevölkerung sein, obwohl Um-fragen den Unabhängigkeitsbefürwortern eine Mehrheit voraus-sagen. Denn in der Frage der Beziehungen zu Serbien war Monte-negro seit seiner Vereinigung mit Serbien im Jahre 1918 ge-spalten, obwohl das Land seit 1878 als international aner-kannter Staat bestand. Doch die Ära Slobodan Milosevic könnte dazu geführt haben, daß trotz des Sieges von Vojislav Kostunica die Anhänger der Unabhängigkeit in Montenegro nicht zuletzt dank der Unterstützung durch die Medien und die Jugend doch die Oberhand gewinnen.
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