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Kirchenkonflikt in Montenegro

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In der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro ist heute ein neues Parlament gewählt worden. Zentrales Thema des Wahlkampfes war die Frage, ob Montenegro unabhängig werden oder den gemeinsamen Staat mit Serbien erneuern soll. Dieser politische Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern der Unabhängigkeit hat in Montenegro auch eine kirchliche Dimension. Denn die Befürworter der Loslösung von Serbien unterstützen die nicht anerkannte auto-kephale montenegrinische orthodoxe Kirche während die serbische Orthodoxie in Montenegro von den Unabhängigkeitsgegnern unterstützt wird. Verschärft werden die Auseinandersetzungen noch durch den Streit um das Eigentum an den Kirchen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden nicht nur Serbien und Monte-negro im gemeinsamen jugoslawischen Staat vereinigt; auch die beiden bis da-hin selbständigen orthodoxen Kirchen wurden unter dem Dach des neugeschaf-fenen serbischen Patriarchats zusammengeschlossen. Der Zerfall Jugoslawiens und die Ära Slobodan Milosevic haben nun auch diese politischen und kirch-lichen Konflikte zwischen Serbien und Montenegro aber auch in Montenegro selbst zu neuem Leben erweckt.

Text:

Das Dorf Kuti im Nordwesten Montenegros im Grenzgebiet zu Kroatien. In der Muttergotteskirche des Ortes fand am Oster-Montag ein Festgottesdienst der Serbisch-orthodoxen Kirche statt. Viele Gläubige aus dem gesamten Gemeinde-gebiet der Küstenstadt Herceg-Novi kamen, denn die Messe wurde von Metro-polit Amfilochie zelebriert. 70 Priester, 150 Mönche und Nonnen zählt die Me-tropolie „Crnogorsko-Primorje“, auf deutsch die Metropolie der montenegrini-schen Küstenprovinz. 130 Schüler und Studenten werden im Seminar in der alten Hauptstadt Cetinje unterrichtet. Doch das Erbe, das fast 50 Jahre Tito-Kommunismus hinterlassen haben, wiegt noch immer schwer, wie Metropolit Amfilochie betont:

„Allein die Kommunisten haben während und nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 105 Priester getötet, darunter auch den montenegrinischen Metropoliten. Hinzu kommen 15 Priester, die unter deutscher und italienischer Besatzung getötet wurden. Alles in allem kam die Hälfte der etwa 200 Priester um.“

Mit dem Ende des Kommunismus und dem Zerfall Jugoslawiens setzte auch eine gewisse Wiedergeburt der serbischen Orthodoxie ein, die die geistige Leere ausfüllte. So wurde die Kirche wieder zu einer Säule der serbischen Identität aber auch zu einem Träger des serbischen Nationalismus, der die Kirche trotz aller Läutseligkeit tief in die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien verstrickte.

Auch bei dieser Prozession am Oster-Montag wird die Haltung der serbischen Orthodoxie deutlich. Die Kapelle spielt die alte serbische Hymne „O Gott, O Gerechtigkeit“, eine Melodie, die auch die serbische Allianz DOS bei ihren Parteiveranstaltungen verwendet. Serbische Kirche und jugoslawische Streit-kräfte sind denn auch die letzten Klammern, die Montenegro und Serbien ver-binden. Bei Kirchtag in Kuti entspricht die Musik ebenfalls der politischen Ein-stellung der Besucher. „Samo Sloga Serbina spasava“, Nur Eintracht rettet die Serben“, lautet dieser Schlagertext, der ein altes serbisches Sprichwort zitiert. Die Muttergotteskirche selbst ist mit serbischen Fahnen beflaggt. Ein anderes serbisches Sprichwort sagt: „Serben und Montenegriner sind ein Volk, nur die Montenegriner waren früher am Meer.“ Wie steht Metropolit Amfilochie dazu:

„Historisch gesprochen ist das richtig. Nehmen wir als aktuelles Beispiel die Österreicher, die ihren Staat, ihr mächtiges österreichisch-ungarisches Reich hatten; die Österreich sind im Grunde Deutsche. Aber heute sagen viele mit Recht, daß sie Österreicher sind. Und das können wir mit uns hier vergleichen. Die slawischen Bewohner dieses Gebiets von der Donau bis zum Meer waren während der Jahrhunderte in ihrer großen Mehrheit Serben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich ein Teil der Bewohner als Monte-negriner zu fühlen, selbst wenn sie wußten, wer ihre Vorfahren waren, denn das war ein Befehl der kommunistischen Partei. Anderer hielten an ihrer Tradition fest, denn tatsächlich ist das ein Volk mit einer Sprache, einer Kultur, einer Geschichte. Daher ist es nur natürlich, mit diesem Volk auch heute vereint und wenn möglich auch in einem Staat vereint zu bleiben.“

Diese Haltung erregt bei vielen Montenegrinern Widerspruch, denn die Verei-nigung mit Serbien war nie unumstritten. Zur Rolle der Orthodoxie im Konflikt um die Unabhängigkeit sagt Amfilochie:

„Die Rolle der christlichen Kirche, ist es, geistig wieder aufzubauen, zu ver-einen, die Menschen auszusöhnen und sie zu lehren einander zu vergeben. Das war auch die Rolle der Metropolie der orthodoxen Kirche hier in Montenegro während der vergangenen Jahrhunderte und das ist auch ihre heutige Rolle.“

Doch diesen Worten widersprechen die Symbole; so trägt das Plakat, das die Prozession ankündigt, auch einen Aufkleber der SNP, der Sozialistischen Volks-partei, die im Wahlkampf die Unabhängigkeit Montenegros massiv bekämpfte. SNP-Vorsitzender Pedrag Bulatovic unterstützt auch die serbische Orthodoxie in der Auseinandersetzung mit der autokephalen montenegrinischen Kirche. Auch das sozialistische Parteiorgan DAN bietet Metropolit Amfilochie breiten Raum. Präsident Milo Djukanovic hat im Kirchenkonflikt noch keine klare Stellung be-zogen. Doch sein Eintreten für die Unabhängigkeit sowie eine begrenzte politi-sche Unterstützung für die Autokephalie führt zwangsläufig zu einem Gegensatz zur serbischen Orthodoxie in Montenegro. Hinzu kommt, daß sich der jugosla-wische Präsident Vojislav Kostunica auch auf die serbische Orthodoxie in Mon-tenegro stützt, um eine Abspaltung Montenegros von Serbien mit friedlichen Mitteln zu verhindern. Die kleine Liberale Union Montenegros zählt zu den kompromißlosesten Anhängern der Unabhängigkeit und zu den klarsten Geg-nern der serbischen Kirche. Bei den Versammlungen der Liberalen schwenken deren Anhänger die alten Fahnen des Königreichs Montenegro, die bei der Pro-zession am Oster-Montag völlig fehlten. Die Liberalen unterstützen die von der Weltorthodoxie nicht anerkannte Montenegrinische Orthodoxe Kirche unter Metropolit Michajlo. Michajlo, der in den Augen der serbischen Orthodoxie ein Schismatiker und Sektenführer ist, kann sich derzeit nur auf sechs aktive Priester in ganz Montenegro stützen. Doch die Unabhängigkeit soll auch eine neue Ära für seine Kirche einläuten. Über seine Kirche sagt Michajlo:

„Die Montenegrinische Orthodoxe Kirche ist die Kirche des montenegrinischen Staates. Sie ist die Kirche der montenegrinischen Nation, des montenegrinischen Volkes und der montenegrinischen Geschichte. Sie gibt es nicht erst seit gestern, sie bestand viel früher und zwar bis zum Jahre 1920. Damals strich die Dynastie Karadjordjevic per Erlaß Montenegro von der Landkarte Europas und zwang die unabhängige Montenegrinische Orthodoxe Kirche, sich mit der serbischen zu vereinen.“

Wie erzwungen diese Vereinigung war ist umstritten, doch auch für Michajlo ist klar, daß der Kirchenkonflikt kein dogmatischer ist:

„Es gibt keine Unterschiede zwischen den beiden Kirchen, es gibt nur zwei Nationen. Es gibt die montenegrinische Nation und die serbische Nation. Kanon und Orthodoxie sind gleich wie im orthodoxen Osten.“

30 Kirchen wie hier in Bajice, hat die Autokephalie von Gemeinden erhalten, die der serbischen Orthodoxie den Rücken gekehrt haben. Die Orthodoxie spricht von Kirchenraub und wirft Präsident Djukanovic vor, ihr Eigentum nicht zu schützen. Ob die Gemeinde oder die Kirche Eigentümer des Gotteshauses ist, ist auch in Montenegro umstritten. Unbestritten ist nur, daß der Kirchenkonflikt den Konflikt um die Unabhängigkeit Montenegros überdauern wird.

Christian Wehrschütz

Kamera:

Nikola Brajovic

Tarek Ani

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