Zoran Milanovic reibt sich an Österreich
Der kroatische Präsident Zoran Milanovic ist als Politiker bekannt, der nach dem Motto handelt, besser einen Freund verlieren als eine Pointe. Diese Einstellung des 66-jährigen paart sich noch mit einem übersteigerten Selbstbewusstsein und dem offensichtlichen Bedürfnis, nicht nur sein kroatisches Volk, sondern auch Nachbarstaaten und die EU insgesamt zu belehren. Beispiele dafür gibt es bereits aus seiner Amtszeit als sozialdemokratischer Regierungschef in den Jahren 2011 bis 2016, die jedoch fast nie auch die Öffentlichkeit in Österreich berührt haben. Seit der Corona-Pandemie ist das nun anders geworden. So kritisierte Milanovic in der Vorwoche den „Lock down für Ungeimpfte und sagte wörtlich: "In Österreich verbietet man heute Menschen, die nicht geimpft sind, das Haus zu verlassen. Was ist das, Wissenschaft oder Methoden, die an die 30er Jahre erinnern?". Der Kroate zog einen Vergleich mit dem Faschismus, eine Entgleisung, für die er sich dann etwas später entschuldigte: "Ich habe gesagt, dass mich das, was in Österreich stattfindet, an den Faschismus erinnert. Ich entschuldige mich dafür". Der österreichische Bundespräsident ist mein Freund, ein hervorragender Mensch", sagte Milanovic vor Journalisten mit Blick auf Alexander Van der Bellen. Ein Land, das einen solchen liberalen und grünen Politiker wählt, könne nicht faschistisch sein. "Aber einige Politiker verhalten sich träge, sie denken langsam", so der kroatische Präsident offenbar mit Blick auf die türkis-grüne Regierung.
Doch die Milch war bereits verschüttet, und der kroatische Botschafter in Wien wurde in das Außenministerium geladen, ein klares Zeichen in der Diplomatie, um seinen Unmut auszudrücken. Zoran Milanovic reagierte darauf nicht mit Zurückhaltung, sondern ließ den österreichischen Botschafter in Agram gestern zu einem Gespräch ins Präsidentenamt vorladen, um "unsere tiefe Sorgen über die Grundfreiheiten in Österreich auszudrücken". Den Lock down und die geplante Impflicht bezeichnete Milanovic als „Katastrophe“, doch das Gespräch mit dem Botschafter führte nicht er selbst, sondern sein außenpolitischer Berater; über Atmosphäre und Inhalt drang bisher nichts an die Öffentlichkeit.
Zoran Milanovic ist kein Impfgegner, sondern sogar bereits drei Mal geimpft. Doch er ist ein erklärter Gegner der Impfpolitik der konservativen Regierung unter Andrej Plenkovic. Ihm und seiner Partei HDZ wirft der Staatspräsident vor, bei den ohnehin mäßigen Anti-Corona-Maßnahmen die Verfassung missachtet zu haben, weil sie nicht vom Parlament beschlossen wurden. Tatsache ist, dass der gesamte Krisenstab von Plenkovics Partei HDZ dominiert wird, ein Umstand, der in der Bevölkerung tiefes Misstrauen gegen die Corona-Politik ausgelöst hat. Proteste gab es auch gegen die jüngst eingeführte Impfbestätigung, doch von einer Impfpflicht ist Kroatien ebenso weit entfernt wie von einer Durchimpfung; weit höher als im EU-Durchschnitt sind Infektions- und Todeszahlen gemessen je Million Einwohner und zwar drei Mal so hoch. Hinzu kommt, dass Milanovic und Plenkovic einander seit Jahrzehnten kennen und in tiefer persönlicher Abneigung einander verbunden sind. Diese Gegnerschaft wird in Kroatien öffentlich ausgetragen, wobei Milanovic alles sagt, was er sich denkt; eine „Pufferzone zwischen Hirn und Sprache fehlt“, brachte es ein kroatischer Journalist in einem Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen auf den Punkt. Politisch sehen viele Kroaten in Zoran Milanovic den einzigen wirklichen Nachfolger von Staatsgründer Franjo Tudjman, eine Mischung aus Nationalismus und dem Beharren auf das Recht kleiner Völker. In dieses Bild passt die Vorladung des österreichischen Botschafters, die Milanovic so begründete: "Unsere Botschafter werden ständig wegen irgendwelchen Dummheiten vorgeladen, dann werden wir das mit ihren auch machen." „Hättest Du geschwiegen, wärst Du ein Philosoph gewesen“ –ist ein Weisheit, die Zoran Milanovic eben nicht für sich gepachtet hat.