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Die kroatische Jugend, ihre Perspektiven und die EU

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Berichte Kroatien


Übermorgen, am ersten Juli, tritt Kroatien der EU bei. In insgesamt sieben Jahren, die Verhandlungen und Ratifizierung des Beitrittsvertrages dauerten ist die EU-Skepsis auch in Kroatien gestiegen. Das Beitrittsreferendum brachte zwar mehr als 60 Prozent Ja-Stimmen, doch nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten stimmte ab. Nach Umfragen sind je ein Drittel der Kroaten klar für und klar gegen Brüssel. Etwas besser liegt die EU bei der Jugend. Nach einer Studie der deutschen Friedrich Ebert-Stiftung sind 40 Prozent der Kroaten im Alter von 14 bis 27 Jahren für die EU. Die Studie gelesen hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz: Er hat auch den folgenden Beitrag über die Erwartungen der Jugend von der EU und vom Leben gestaltet:

In Kroatien stehen 30 Prozent der Jugendlichen dem EU-Beitritt gleichgültig gegenüber, 20 Prozent lehnen ihn ab. Besorgniserregend ist für die Autoren der Studie, dass die jüngsten Befragten die EU am wenigsten unterstützen, weil ihre Zukunft am längsten in dieser Union liegt. Doppelt so groß wie die Zahl der Gegner sind die EU-Befürworter. Ihre Zahl nimmt auch in Kroatien mit dem Bildungsniveau zu. Das Ja zur EU habe vor allem praktische Gründe, erläutert der Leiter der Friedrich-Ebertstiftung in Kroatien, Dietmar Dirmoser:

"Was im Großen und Ganzen positiv vermerkt wird, ist die Reisefreiheit, dann gibt es auch ein paar Vorteile wie günstige Handytarife und noch einige Kleinigkeiten. Für die jüngere Generation spielt allerdings die der tragende Gedanke, dass dieses Europa ja in erster Linie ein Friedensprojekt ist, nur eine untergeordnete Rolle; die suchen für eine positive Einstellung ganz handfeste Vorteile."

Doch Reisefreiheit heißt offenbar Urlaub und nicht im Ausland zu arbeiten oder eine Ausbildung im Ausland anzustreben. Das ist bemerkenswert, weil die Jugendarbeitslosigkeit in Kroatien mit mehr als 40 Prozent die dritthöchste in der EU ist. Die relative Mehrheit der befragten Jugendlichen, die Arbeit haben, verdienen zwischen 400 und 700 Euro im Monat. Trotzdem sei auch bei der Jugend die Mobilität eher gering, betont Dietmar Dirmoser:

"Nur ein Drittel kann sich vorstellen, zur Ausbildung ins Ausland zu gehen; das ist relativ wenig, wenn sie zurückschauen so bis 2000; damals wollten in dieser Altersgruppe 61 Prozent ins Ausland und heute wollen dezidiert 70 Prozent da bleiben. Also das, was an Europa attraktiv ist, ist mit Sicherheit nicht die Jobchancen. Es ist ja auch im Zusammenhang mit der Krise in vielen Ländern nicht sehr aussichtsreich, dort Jobs suchen zu wollen. Einige Länder haben ja durchaus noch Sperren, Österreich, Deutschland gehören auch dazu, gegen kroatische Arbeitskräfte."

Am besorgniserregendsten ist für Dirmoser jedoch der fehlende Realismus, mit dem die Jugend dem Leben gegenübersteht:

"Die jungen Leute haben Erwartungen, die teilweise ganz erstaunlich sind, Ansprüche an ein Einkommen und ein gutes Leben, wollen in die Fußstapfen der Eltern treten und haben noch nicht realisiert, dass dies die Generation sein wird, zum ersten Mal nach den Großvätern und Vätern, der es materiell schlechter gehen wird als den Vorgängergenerationen. Da kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Erholung nicht sehr viel ändern."

Diese Erholung ist aber nicht in Sicht. Und das kann sich langfristig auch auf die Bewertung der EU auswirken, die nicht nur junge Kroaten dann für die Fehler der eigenen Regierung verantwortlichmachen könnten.

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