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Wieder Wetterleuchten zwischen Serbien und dem Kosovo

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Berichte Kosovo

In der Ukraine herrscht zwar Krieg, doch der geopolitisch weiche Unterleib der EU ist und bleibt der Balkan. Das haben die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo in der Nacht von Sonntag auf Montag neuerlich gezeigt. Ausgelöst hat den Konflikt zwischen Belgrad und Pristina der Versuch der kosovo-albanischen Führung, sogenannte Reziprozität an den Grenzübergangen zwischen beiden Staaten herzustellen. So müssen sich Bürger des Kosovo, sofern sie keine Serben sind und ohnehin auch einen serbischen Pass haben, beim Passieren der Grenze auf serbischer Seite ein provisorisches Dokument ausstellen lassen, weil Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo nach wie vor nicht anerkennt. Dieses Verhalten versucht die kosovarische Regierung unter Ministerpräsident Albin Kurti durch eine Politik der Reziprozität zu beantworten; sprich, was für Kosovo-Albaner gilt, muss auch für Serben gelten- Daher kündigte Pristina auch mit einer gewissen Vorlaufzeit an, ab Null Uhr erster August keine serbischen Dokumente mehr anzuerkennen. Serben hätten sich somit bei der Einreise ein provisorisches Dokument ausstellen lassen müssen. Neue Regelungen hätten auch für die Autonummern gegolten, weil Kosovaren bei der Ein- und Durchreise nach und durch Serbien das Hoheitssymbol ihres Staates mit einem Sticker überkleben müssen.

Obwohl die kosovarische Maßnahme weder über Nacht verhängt und daher auch nicht überraschend kam, geschah offensichtlich auf internationaler Ebene nichts, um den möglichen Konflikt zu entschärfen. So kam es, wie es nicht zum ersten Mal kommen musste: die Kosovo-Serben stiegen auf die Barrikaden und errichteten solche an Grenzübergängen, Pristina setzte seine Sonderpolizei in Marsch, und in Belgrad tagte der Nationale Sicherheitsrat und Präsident Alexander Vucic, der sich auch mit den Streitkräften beriet. Der Westen setzte die NATO-geführte Friedenstruppe KFOR in Alarmbereitschaft und auf diplomatischer Ebene gab es alle möglichen Bemühungen, die Spannungen zu entschärfen, während sich in den sozialen Medien eine aufgeheizte Stimmung breit machte, als stünde der nächste Krieg um den Kosovo unmittelbar bevor. Doch allem Kriegsgeschrei und allen dramatischen Erklärungen serbischer und albanischer Politiker zum Trotz kam schließlich ein Kompromiss zustande; er besteht darin, dass die Regierung in Pristina den „Vorschlag“ der US-Botschaft annahm, und die Implementierung dieser Regelung um einen Monat verschob. Daraufhin begann sich die Lage zu entspannen, wobei die Kosovo-Serben erst gestern Nachmittag die Barrikaden an zwei Grenzübergängen abbauten.

Als Sieger sehen kann sich der serbische Präsident Alexander Vucic betrachten; er hat neuerlich verhindert, dass die albanische Führung des Kosovo einen Teil neuer Souveränität auf ihre Fahnen heften kann. Der Verlierer ist somit Ministerpräsident Albin Kurti, der neuerlich zur Kenntnis nehmen musste, dass Europa und die Welt inzwischen und derzeit andere Probleme haben als den Balkan und dort daher Ruhe wollen und keinen Wirbel. Bleibt die Tatsache bestehen, dass Serbien, dessen Autokrat Slobodan Milosevic in den 90iger Jahren mit der Unterdrückung der Albaner begann, die schließlich mit dem Kosovo-Krieg der NATO endete, heute weit besser dasteht als der Kosovo. Seine Bürger sind die einzigen am Balkan, die nicht visafrei in die EU einreisen dürfen, wobei fünf EU-Mitglieder die Unabhängigkeit des Kosovo nach wie vor nicht anerkennen. Ob der Balkan am 1. September neuerlich Spannungen erleben wird, hängt davon ab, ob Pristina, Belgrad, Brüssel und Washington die Zeit erfolgreich nutzen können, um das Konfliktpotential zu entschärfen. Gelöst wird der Konflikt erst sein, wenn Pristina und Belgrad diplomatische Beziehungen und die EU den gesamten Westbalkan als Mitglieder aufgenommen haben; eine realistische zeitliche Perspektive dafür gibt es nicht.

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