20 Jahre Kriegsende im Kosovo und die EU
Vor 20 Jahren endete in der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo der Krieg, den die NATO mit dem Jugoslawien unter dem Autokraten Slobodan Milosevic geführt hatte. Die jugoslawischen Streitkräfte zogen ab, etwa 200.000 Kosovo-Serben flohen mit ihnen und die NATO-Truppen marschierten unter dem Jubel der albanischen Mehrheitsbevölkerung ein. Aus diesem Anlass findet in Pristina heute eine große Feier statt, an der auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und die frühere US-Außenministerin Madelaine Albright teilnehmen werden. 20 Jahre später bietet der Kosovo ein gemischtes Bild. Die im Februar 2008 erklärte Unabhängigkeit haben weder Serben noch fünf Staaten der EU anerkannt. Auf dem Weg Richtung EU bildet der Kosovo neben Bosnien und Herzegowina das Schlusslicht, wobei der Kosovo aber als einziger Staat des Balkan trotz Erfüllung aller Kriterien noch immer keine Visa-Freiheit für die EU genießt. In Pristina hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit der Ministerin für EU-Integration gesprochen; hier sein Bericht:
Wer die Entwicklung des Kosovo beurteilt muss sich der schweren Erblast bewusst sein, die diese ehemals serbische Provinz trägt. Unter Slobodan Milosevic wurde die ohnehin schwache lokale politische Elite entmachtet und beseitigt; außerdem war der Kosovo nie ein Staat, sodass alle Institutionen mit mehr oder weniger erfolgreicher Hilfe von UNO und EU aufgebaut werden mussten und müssen. Zu den positiven Seiten zähle der Versuch, eine junge Beamtenschaft aufzubauen, betont die EU-Ministerin des Kosovo, Dhurata Hoxha:
"Alle Mitarbeiter des EU-Ministeriums haben an einem Projekt der EU-Kommission teilgenommen, das es uns ermöglicht zwischen 30 und 50 junge Kosovaren an die besten Universitäten in der EU zu schicken. Studiert werden Fächer, bei denen wir einen Bedarf haben. Diese Absolventen müssen dann mindestens drei Jahre in Kosovo-Institutionen arbeiten. Ich versuche, dass auch andere Ministerien derartige Möglichkeiten zur Ausbildung haben, weil auch dort die Kapazitäten erhöht werden müssen. Das gelang im Vorjahr zum ersten Mal umfassend. Diese Mitarbeiter verändern die Institutionen, weil auch die Mentalität unserer Beamten verändert wird."
Dhurata Hoxha studierte in den USA an der Georgetown Universität und kehrte 2008 in den Kosovo zurück; sie war bereits Justizministerin, ehe sie 2017 das Ministerium für EU-Integration übernahm, das 200 Beamte zählt. Vor drei Jahren unterzeichneten Brüssel und Pristina ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen; der Ende Mai veröffentliche Fortschrittsbericht aus Brüssel kritisiert auch die schleppende Umsetzung von Gesetzen; diese Kritik akzeptiert die Ministerin, die vor allem zwei zentrale Reformgebiete nennt; Dhurata Hoxha:
"Zu den Herausforderungen zählen die Stärkung des Rechtsstaates, sowie der Kampf gegen Kriminalität und Korruption; das ist die Basis für alle anderen nötigen Reformen. Hinzu kommt die Reform des Bildungssystems. Kosovo ist ein Land mit einer jungen Bevölkerung, 65 Prozent sind jünger als 40 Jahre. Daher brauchen wir eine gute Ausbildung. Die Herausforderungen liegen daher vor allem in diesen beiden Gebieten."
Zwischen 2014 und 2020 unterstützt Brüssel die EU-Annäherung des Kosovo mit 630 Millionen Euro, die für eine Vielzahl von Maßnahmen ausgegeben werden. Dazu zählen Projekte, um die Berufsausbildung und die Konkurrenz-fähigkeit von Betrieben zu verbessern ebenso wie die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Zu den Problemen des Westbalkan und des Kosovo zählt, dass eine reale Perspektive für eine Integration in die EU fehlt, weil die Erweiterungsmüdigkeit der EU-Mitglieder größer ist als die Sorge um die langfristige Stabilität des Balkan. Dazu sagt Dhurata Hoxha:
"Die EU-Integration sollte so ablaufen, dass wir beide unseren Job machen, dass wir angehalten werden, strenge aber faire Standards zu erfüllen, die für alle Länder der Region gleichermaßen gelten müssen. Wir brauchen eine EU, die liefert, wenn wir liefern; wir sollten nicht das Gefühl haben, dass die EU unerreichbar ist, die Integration sollte erreichbar sein, die EU sollte auch ihre Versprechen und ihre Glaubwürdigkeit bewahren."