Thacis zur Lage des Kosovo
Die stärkeren Migrationsströme über neue Routen auf dem Balkan verstärkt auch das Interesse am Kosovo, dem jüngsten Staat Europas. Zwar ist der Kosovo rein geografisch schon keine attraktive Ausweichroute; doch viele Kosovo-Albaner arbeiten in Österreich, Deutschland und der Schweiz; daher bestehen Befürchtungen, Kosovo-Albaner könnten ebenfalls versuchen, im Zuge intensiverer Migration in die Staaten der EU zukommen. In Wien ist heute der Präsident des Kosovo, Hashim Thaci. Sein Land erhofft sich noch heuer die Visa-Freiheit für die EU sowie von Österreich speziell Unterstützung bei der EU-Annäherung und beim schwierigen Dialog mit Serbien über eine Normalisierung der Beziehungen; über all diese Fragen hat in Wien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Hashim Thaci gesprochen; hier sein Bericht:
Das ungeklärte Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien zählt zu den schwierigsten Problemen im ehemaligen Jugoslawien. Seit Jahren wird über eine Normalisierung der Beziehungen verhandelt, doch umstritten ist sogar, was Normalisierung wirklich bedeutet. Serbien und fünf Staaten der EU haben die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt. Für Präsident Hashim Thaci ist jedenfalls klar, was das Ergebnis des Dialoges sein soll:
„Ich erwarte, dass der Dialog mit Serbien in sehr naher Zukunft fortgesetzt wird. Zum Dialog gibt es keine Alternative und ich bin überzeugt, dass auch Serbien sich konstruktiv verhält. Am Ende dieses Prozesses sehen wir eine rechtlich bindende Vereinbarung, die bedeutet, dass beide Staaten einander anerkennen; das wird es Kosovo ermöglichen, Mitglied der UNO zu werden.“
Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Hashim Thaci damals als Ministerpräsident die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien erklärte. Viele Hoffnungen blieben unerfüllt; dazu zählt visafreies Reisen in die EU. Der Kosovo ist das einzige Land des Balkan, für das noch Visa-Pflicht gilt, obwohl formell alle Voraussetzungen erfüllt wurden. In der EU bestehen Befürchtungen, dass manche Kosovo-Albaner die Visafreiheit missbrauchen könnten; dem widerspricht Hashim Thaci:
„Wir werden unser Bestes tun, um die Kosovaren aufzuklären, dass Visa-Liberalisierung nicht das Recht auf Asyl bedeutet. Dass Bürger des Kosovo ebenso frei reisen können wie alle anderen Europäer auch, ist auch eine menschliche Frage. Isoliert man unsere Bürger weiter, macht sie das offen für andere Ideologien; das liegt nicht im Interesse der EU.“
Auch wegen der Migrationsströme über die Balkan-Route herrscht Zurückhaltung gegenüber dem Kosovo. Doch bereits aus geografischen Gründen ist der Kosovo kein wirklich interessantes Transitland. Dazu sagt der kosovarische Präsident:
„Im Kosovo haben wir keinen großen Zustrom illegaler Migranten, das betone ich. Der Kosovo kontrolliert und schützt seine Grenzen gut. Wir arbeiten sehr eng mit Staaten der Region und der EU zusammen; wir sind kompromisslos im Kampf gegen Schmuggel von Menschen und Gütern.“
Beim Kampf gegen die Organisierte Kriminalität war zehn Jahre eine EU-Mission im Einsatz; die Erfolge sind eher bescheiden; ab Juli wird EULEX nur mehr als abgespeckte Überwachungsmission präsent sein. Hashim Thaci sieht die Entwicklung sehr, sehr positiv:
„Unser Strafgesetzbuch ist das modernste in der Region. Es wurde gemeinsam mit Experten aus der EU und den USA verfasst. Beim Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Schwerkriminalität war der Kosovo erfolgreich; das haben auch Vertreter der EU bestätigt, die den Kosovo im Zusammenhang mit der Frage der Visaliberalisierung besucht haben.“
In Wien traf Thaci mit Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen. Österreich übernimmt mit ersten Juli die EU-Präsidentschaft. Der Kosovo erwartet sich Unterstützung beim Dialog mit Serbien und auf dem weitem Weg Richtung EU.