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Zehn Jahre EULEX mit gemischter Bilanz im Kosovo

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Berichte Kosovo

Am 17. Februar vor zehn Jahren erklärte der albanisch dominierte Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien. Mehr als ein Jahr später, im April 2009, nahm dann auch die größte Auslandsmission der EU, die EULEX, ihre Arbeit im Kosovo auf. Ihre Aufgabe war es, Zoll, Polizei, Justiz und Strafvollzug beim Aufbau des Rechtsstaates zu unterstützen. EULEX hatte ein sogenanntes exekutives Mandat, sprich in Fällen von Kriegsverbrechen und in großen Fällen von Korruption und Organisierter Kriminalität waren internationale Richter und Staatsanwälte im Einsatz. Seit 2014 werden neue Fälle nur mehr in Ausnahmefällen angenommen und Justiz und Polizei des Kosovo sollen immer selbständiger tätig werden. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat im Kosovo recherchiert, welche Bilanz nach 10 Jahren EULEX nun für den Kosovo zu ziehen ist.

Auf den ersten Blick ist die Bilanz der EU-Mission EULEX eindrucksvoll; mehr als 44.000 zivile Verfahren wurden beurteilt, 400 Untersuchungen und Verfahren zu Kriegsverbrechen wurden geführt und das Schicksal von 430 vermisster Personen geklärt. EULEX half beim Aufbaue eines effizienteren kosovarischen Zolls, wodurch die Zolleinnahmen des Kosovo massiv gesteigert werden konnten. Außerdem war EULEX federführend bei der Umsetzung des Grenzregimes an den sechs Übergängen zu Serbien tätig, was den Verkehr zwischen den beiden Staaten wesentlich erleichtert und beschleunigt hat. Als langfristig wichtigste Leistung bewertet die Leiterin der EULEX-Mission in Pristina, Alexandra Papadopoulou, die Reform von Polizei und Zoll:

„Wir haben viel in den Aufbau von Polizei und Zoll investiert. Beiden halfen wir, Kapazitäten aufzubauen, wir haben die Polizei etwa darin geschult, wie man mit gewaltsamen Demonstrationen umgeht. Unterstützung wird weiter nötig sein, aber nicht mehr in der Form von EULEX, sondern durch Projekte aus Vorbeitrittsfonds der EU. Denn etwa im Fall der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität braucht der Kosovo mehr Fachwissen.“

Weit stärker in der Öffentlichkeit präsent und auch umstritten war die Rolle, die Richter und Staatsanwälte von EULEX spielten. Dabei fehlte es wiederholt an wirklich guten Juristen; so kritisierte der EU-Rechnungshof etwa, dass EU-Staaten nicht bereit seien, erstklassige Experten in den Kosovo zu entsenden. Faktum ist, dass die Zahl abgeschlossener Verfahren recht gering ist; die extrem lange Verfahrensdauer führt Alexandra Papadopoulou auch darauf zurück, dass die Strafprozessordnung des Kosovo noch immer nicht novelliert wurde:

„Die Verfahren erinnert an eine Lift, weil es geht immer wieder auf und ab; von der ersten zur zweiten Instanz, dann zum Obersten Gerichtshof und wieder zurück zu ersten Instanz und wieder den Instanzenzug hinauf und hinunter. Das ist endlos und im Falle einer Verurteilung wird das Strafausmaß von Instanz zu Instanz immer mehr reduziert und am Ende gibt es keine Strafe. Hinzu kommt, dass die Aussage eines Zeugen nicht mehr verwendet werden kann, wenn er während des Verfahrens stirbt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es keine Verfahren in Abwesenheit gibt; das betrifft etwa EULEX-Fälle, in denen es um die Anklage gegen Serben wegen Kriegsverbrechen ging.“

EULEX gelang es jedenfalls nicht, große Fische in Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität abzuurteilen; noch schwerer wiegt, dass führende Juristen der Mission mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert sind, bzw. selbst derartige Vorwürfe gegen Mitglieder der Mission erhoben haben, die in den zehn Jahren ihres Bestehens bisher 900 Millionen Euro gekostet hat. Der kosovarische Minister für strategische Investitionen, Dardan Gashi, bewertet EULEX negativ:

"Wenig, auch die Skandale, die zuletzt aufgekommen sind innerhalb der EULEX haben nicht dazu beigetragen, die Bewertung positiv zu sehen; es sind viele Fälle aufgegriffen, viele Gerichtsverfahren begonnen worden, aber ganz wenige Verurteilungen haben stattgefunden. Deswegen finden wir es auch etwas Verwunderlich, dass man uns den Vorwurf macht, wir hätten nicht genug getan für die Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität."

Besser bewerte die Österreicherin Ulrike Lunacek, die viele Jahre Kosovo-Berichterstatterin im EU-Parlament war, die Bilanz von EULEX; Ulrike Lunacek:

"Es ist auf der mittleren und unteren Ebene bis in durchaus hohe Ränge von Verwaltung, Politik und Wirtschaft - hat es sehr viel an Anklagen gegeben, es hat nur nicht immer dafür gereicht, dass es tatsächlich auch Verurteilungen gab. Es gab einige, aber die wirklich Großen, das gelang dann doch nicht, zum Teil, weil der Zeugenschutz zu gering war, zum Teil, weil es auch schwierig war, Länder zu finden, die bereit gewesen wären, Menschen mit Zeugenschutz aufzunehmen, also ihnen auch eine neue Identität zu geben."

Lunacek fordert eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe, die nicht an EULEX haften bleiben dürften.

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