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Die Lage der KFOR im Norden des Kosovo

Zeitung
Berliner Tagesspiegel
Berichte Kosovo
Fast sechs Monate dauern nun bereits die Spannungen im Norden des Kosovo, und eine dauerhafte Stabilisierung der Lage ist eigentlich nicht in Sicht. Ins Stocken geraten sind damit jedenfalls vorerst die Pläne der NATO und der mit ihr verbündeten Truppenstelle, die Friedenstruppe KFOR wie geplant auf unter 5.000 Mann abzubauen. Im Dezember dieses Jahres dienten fast 7.000 Soldaten aus etwa 30 Staaten im Kosovo, wobei das deutsche Kontingent mit mehr als 1.300 das größte ist. Größter Truppensteller aus den Nicht-Nato-Staaten sind die Österreicher mit 650 Soldaten. Gemeinsam sind die Truppen beider Länder im kompakt besiedelten serbischen Norden im Einsatz, wo die Bewegungsfreiheit von KFOR und der EU-Polizeimission EULEX sowie das Passieren der beiden Grenzübergänge zu Serbien immer wieder durch Barrikaden blockiert wurden.

Im Katz- und Maus-Spiel mit den Serben im Nord-Kosovo verwandelte sich die KFOR Ende November in die Katze. Beim Ort Cabra nahmen die Soldaten im Handstreich eine Barrikade der Serben und sperrten damit gleichzeitig einen Verbindungsweg der Serben zwischen zwei Tälern. Der zweimalige Angriff serbischer Demonstranten wurde zurückgeschlagen, doch der Preis war trotzdem beträchtlich. Mehr als 20 verletzte Soldaten durch eine Handgranate und ein deutscher Bataillonskommandeur, der durch einen Serben angeschossen wurde, mittlerweile aber bereits wieder im Kosovo-Einsatz ist. Für die Lage vor Ort wichtig ist die Tatsache, dass deutsche und österreichische KFOR-Soldaten bei Cabra nach wie vor den Verkehr kontrollieren, der derzeit nur von der schlechten Straße behindert wird.

Überwacht wird die KFOR bei Cabra auch von lokalen Serben; sie haben an einem Feldweg ihr Lager, den ein Balken mit Stacheldraht und mit einem KFOR-Posten von der Landstraße trennt, die beide Täler verbindet. Als Friedenstruppe gilt die KFOR den Serben hier nicht, und einer der Serben ruft: „Sie sind eine Hitler-Truppe, Hitler kaputt. Sie sind Nachfahren Hitlers.“ Diese Behauptung ist natürlich absurd, doch unter den Serben ist nicht nur die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg sondern auch an die deutsch-österreichische Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg durchaus lebendig. In diesem Sinne plakatierten in Belgrad nationalistische Extremisten auch folgendes Poster: „Kosovo ist Serbien“; darunter wurden drei Bilder gezeigt; unter den beiden Bildern mit Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg stand: „Wir haben Deinen Urgroßvater getötet, Wir haben Deinen Großvater getötet“; unter dem Bild des deutschen KFOR-Soldaten stand dann: “Wir werden auch Dich besiegen.“

Noch unbeliebter als die KFOR und westliche Journalisten ist an diesem Kontrollpunkt höchstens noch der serbische Präsident Boris Tadic; ein Serbe empfiehlt mir daher: „Man sollte eine Holzstange nehmen, und Sie verprügeln, das sollte man. Gehen Sie doch zu Tadic, und wenden sie sich an ihn, aber nicht hier, hier haben sie nichts verloren, und auch diese Soldaten nicht.“

Unter dem Druck der EU forderte Tadic den Abbau der Barrikaden; er erfolgte weitgehend, doch an den neuralgischen Punkten sind oft LKW mit Schotter zu sehen, so dass Sperren sofort wieder errichtet werden können. Einfach nicht geglaubt wird von den Serben an diesem Kontrollpunkt, dass Demonstranten auf KFOR-Soldaten geschossen und eine Handgranate geworfen haben. Dieser Unglaube hat auch mit der dilettantischen Medienpolitik der KFOR zu tun, die von politischen Rücksichten aus Brüssel diktiert wird. So gab die KFOR an, Bilder vom Handgranatenwurf zu haben, veröffentlich wurden sie nicht, und dass schadet auf jeden Fall der Glaubwürdigkeit der KFOR. Ihr Bild hat sich im Norden zweifellos verschlechtert, obwohl die Masse der Serben nicht gewaltbereit ist. Regelmäßige Treffen mit den vier serbischen Bürgermeisten im Norden sollen vertrauensbildend und dem Klischee eines Besatzers entgegen wirken. Doch kein Serbe kann sich hier vorstellen unter albanischer Herrschaft zu leben, und darin besteht das Grundproblem. Es trifft die EU-Polizei-Mission EULEX noch stärker als die KFOR. Graffiti im Norden schreiben das X von EULEX mit einem Hakenkreuz; die Mission gilt als rein pro-albanisch; warum, erläutert der Bürgermeister der Gemeinde Zubin Potok, Dragisa Milovic „Die EULEX muss statusneutral sein; ihr Mandat ist es nicht, albanische Beamte und Zöllner aus Pristina an die Grenzübergänge zu transportieren. Das ist der Grund, dass sie sich nicht in den Norden bewegen kann.“

Diese Stationierung kosovarischer Zöllner und Grenzpolizisten im Sommer den jüngsten Konflikt aus, weil die Serben die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte des Kosovo im Norden nicht hinnehmen wollen. Zu den zwei Grenzübergängen werden EULEX-Beamte daher noch immer mit Hubschraubern geflogen. Ihre Bewegungsfreiheit im Norden muss Teil einer politischen Lösung sein, die noch auf sich warten lassen wird. Serbien steht wenige Monate vor der Parlamentswahl; und von der Krise hofft vor allem die nationalistische Opposition zu profitieren, die den Nord-Kosovo dominiert. Hinzu kommt, dass Boris Tadic auch zur Ansicht gelangen könnte, dass Zugeständnisse im Kosovo derzeit mehr kosten als eine vage EU-Perspektive durch einen für die Bevölkerung nebulosen Kandidatenstatus. Auf den Punkt brachte es ein serbischer Karikaturist, der Serben auf hoher See in einem Rettungsboot zeigt, das von der Titanic geborgen wird. Im Kosovo wird die KFOR daher wohl auch weiter die Grenzübergänge im Norden zu Serbien bewachen, auf denen es zwar Zöllner mangels Verkehr aber nichts zu verzollen gibt.

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