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Zwischen mühevoller Gegenwart und zarten Ansätzen zur Normalität

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Kleine Zeitung
Berichte Kosovo
Das Bild, das die serbische Presse und viele Politiker in Belgrad vom Kosovo zeichnen ist klar: eine Provinz mit knapp zwei Millionen Albanern, dominiert von Drogenschmuggel und Organisierter Kriminalität, Armut und Arbeitslosigkeit, mit einer machtlosen UNO-Verwaltung und einer internationalen Friedenstruppe, die das Lebensrecht der serbischen Minderheit nicht zu schützen vermag. Diese Bild mag vielleicht noch im Jahre 1999 einigermaßen zutreffend gewesen sein, als ein bulgarischer Internationaler in der Hauptstadt Prishtina erschossen wurde, weil seine Sprache mit Serbisch verwechselt wurde. Neuerlich genährt wurde dieses Bild bei den Unruhen im März 2004 als Tausende Serben flohen, und albanische Extremisten Häuser und Kirchen in Brand steckten.

Doch auf dem Weg zum Status hat sich dieses Bild in den vergangenen Jahren trotz des nicht zu unterschätzenden albanischen Nationalismus und vieler offenen Wunden und Rechnungen doch gewandelt. Ein Beispiel dafür ist der Grenzübergang Merdare zwischen Serbien und dem Kosovo. Immer öfter lässt sich beobachten, dass auch Autos mit serbischen Kennzeichen den Weg über die Grenze wagen. Und im Raum Istok, im Nordwesten des Kosovo, sind erste Anzeichen einer Rückkehr vertriebener Serben feststellbar, werden orthodoxe Kirchen wieder aufgebaut. So paradox es auf den ersten Blick scheinen mag, haben Serben, Albaner und alle anderen Einwohner des Kosovo sehr oft mit denselben Problemen zu kämpfen. Sie rühren nicht zuletzt daher, dass weder UNO noch EU seit dem Ende des Krieges eine konsistente Entwicklungsstrategie für die rückständige Provinz entwickelt und umgesetzt haben.

Dieses Versäumnis wirkt sich drastisch auf das tägliche Leben aus: die Stromversorgung ist trotz hunderter Millionen Euro noch immer nicht gesichert; der Großteil aller Waren, von der Milch bis zum Computer, wird importiert, die Landwirtschaft leidet an einem Mangel an Viehbestand, an der Unmöglichkeit, die Milch hygienisch und rasch zur größten Molkerei zu transportieren, und an der schlechten Infrastruktur, die auch die übrige wirtschaftliche Entwicklung hemmt. Größter Arbeitgeber sind die internationalen Institutionen (UNO, OSZE, EU, KFOR), deren Lohnniveau weit über dem liegt, was der Staat oder viele private Firmen bezahlen. So verdienen Dolmetscher bei den „Internationalen“ zwischen 400 und 800 Euro, während der offizielle Gehalt eines UNI-Professors bei etwa 200 bis 300 Euro liegt. Die Internationalen halten auch die vielen Restaurants im Prishtina und anderen Städten am Leben und sind gleichzeitig auch für ein Preisniveau verantwortlich, das durchaus mit Österreich vergleichbar ist. Was das konkret bedeutet, zeigen etwa die mehr als 20 privaten Universitäten des Kosovo; ein Studienplatz kostet pro Jahr oft bis zu 2.000 Euro; doch die Abschlüsse sind international nicht anerkannt, und derartige „Universitäten“ sind offensichtlich auch ein Mittel zur Geldwäsche.

Bildung und Arbeit sind denn auch die größten Herausforderungen des Kosovo. 50 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt, die Geburtenrate des Kosovo ist die höchste Europas und die Jugendarbeitslosigkeit wird auf mehr als 60 Prozent geschätzt. Noch schlechter ist die Lage in Dörfern, wo oft Kanalisation, Wasserversorgung, Ärzte und asphaltierte Straßen fehlen. Über Wasser hält sich die Bevölkerung natürlich auch durch die vielen Albaner, die im Ausland, etwa in Österreich, Deutschland und der Schweiz arbeiten, wo allein etwa 200.000 Albaner leben.

Der Kosovo war denn auch Jahrzehnte ein Land, das seine Arbeitskräfte exportiert hat. Doch dieses Bild beginnt sich zu wandeln und auch erste Anzeichen für eine wirtschaftliche Perspektive sind erkennbar. Vor allem in Prishtina trifft der Besucher auf oft gut ausgebildete, junge Albaner, die das Schicksal ihrer Heimat zum Positiven wenden wollen. 25 Privatisierungszyklen gab es bereits, mehr als 380 Millionen an Erlösen wurden erzielt. Noch etwa 500 Betriebe sollen privatisiert werden; viele von ihnen werden vielleicht keinen Käufer finden können, doch zunehmend kommen ausländische Firmen und produzieren im Kosovo wie etwa Gorenje. Das Bankensystem (Raiffeisen) ist modern, die Unternehmensgründung ist einfach, die Steuern sind niedrig, viele Gesetze haben EU-Standard, die Inflation ist niedrig und der Euro die Landeswährung. Trotzdem sind Bürokratie und Korruption a ein Problem für Investoren; doch das gilt nicht nur für den Kosovo, der noch viele Jahre brauchen wird, um eine fähige eigenen bürokratische und politische Elite heranzubilden. Daher ist die rasche Regelung des Status umso wichtiger, damit sich der Kosovo – aber auch Serbien – endlich auf die Probleme der eigenen Transition konzentrieren können, die ohnehin schwierig, schmerzlich und mühevoll genug sein wird.

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