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Interview mit dem kosovarischen Außenminister Enver Hoxhaj

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Berichte Kosovo
Die EU hat vorgestern mit dem Kosovo Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen aufgenommen. Ein derartiges Abkommen ist eine Voraussetzung für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Vor den Kosovo, der erst vor knapp sechs Jahren seine Unabhängigkeit von Belgrad erklärte, ist das ein großer Fortschritt. Belohnt hat die EU damit die fortscheitende Normalisierung der Beziehungen zu Serbien. Ein weiterer wesentlicher Schritt dabei werden die Lokalwahlen am Sonntag sein, die am im serbisch dominierten Nord-Kosovo stattfinden werden. Darüber und über die Beziehungen zu Belgrad hat in Pristina unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem Außenminister des Kosovo, Enver Hoxhaj, gesprochen; hier sein Bericht:

Die Lokalwahlen finden zum ersten Mal auf der Basis kosovarischer Gesetzte auf dem gesamten Territorium des Kosovo statt. Das bedeutet, dass auch im serbisch dominierten Nordkosovo gewählt wird. Dieses Zugeständnis Serbiens ist Teil der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo, die beide Seiten unter Vermittlung der EU vereinbart haben. Damit beginnt wohl die schrittweise Integration des Nordens in den Staat Kosovo. Dessen Außenminister, Enver Hoxhaj, sieht in den Wahlen daher ein historisches Ereignis:

"Erstens, mit den Wahlen werden die Serben, die im Norden ja leben, völlig in das öffentliche Leben des Kosovo als Staat integriert werden. Und zweitens: die Wahlen sind unglaublich wichtig, und das Abkommen, das wir mit Belgrad im April erreicht haben, umzusetzen. Aus diesem Grund sind das lokale Wahlen, aber deren Bedeutung ist historisch, und deren Wirkung ist auch langfristig."

Enver Hoxhaj hat in Wien studiert und spricht daher fließend deutsch. Seine Einschätzung teilen im Nordkosovo vor allem die Serben, die die Wahlen boykottieren wollen. Belgrad hat es daher schwer, diese Serben zur Teilnahme zu bewegen, und der Kosovo musste etwa darauf verzichten, auf den Stimmzetteln staatliche Hoheitszeichen zu drucken. Belgrad denkt auch nicht daran, den Kosovo in absehbarer Zeit anzuerkennen oder seine Aufnahme in internationale Organisationen zu zulassen. Daher sagt Enver Hoxhaj:

"Kein Mensch möchte auf dem Balkan ein zweites Zypern; kein Mensch möchte auch in Europa ein zweites Zypern; und deswegen müssen Brüssel, Wien aber auch Berlin, Paris und andere Hauptstädte in den nächsten Monaten sehr klar zu Serbien sein, dass Serbien schrittweise die Realität, die Existenz von Kosovo akzeptieren soll, und dann endgültig auch den Kosovo anerkennen soll, falls wir eine völlige Normalisierung der Beziehungen haben wollen."

Zu dieser Realität zählt, dass bisher 104 Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt haben; dazu zählen aber nicht fünf Staaten der EU. Dazu sagt Enver Hoxhaj:

"Ich schließe nicht aus, dass wir in den nächsten Monaten gute Nachrichten hier haben, dass von fünf Staaten zwei oder drei Kosovo anerkennen. Ich werde in den nächsten Tagen einige Hauptstädte von diesen fünf Nicht-Anerkennern besuchen, und ich gehe davon aus, dass ich einen Durchbruch erreichen kann."

Selbst wenn das stimmt, und selbst wenn die Lokalwahlen friedlich verlaufen, bis zur Aussöhnung zwischen Serben und Albanern werden wohl noch viele Jahre vergehen.

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