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Gespräch mit Innenminister Bajram Rexhepi

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Berichte Kosovo
Im Kosovo hat der Bericht des Schweizer Europaratsabgeordneten Dick Marty einen wahren Sturm der Entrüstung ausgelöst. Marty beschuldigt ja den amtierenden Ministerpräsidenten Hashim Thaci, während und nach dem Kosovo-Krieg im Jahre 1999 in den illegalen Organhandel verwickelt gewesen zu sein. Gefangenen Serben und albanische Gegner der Freischärlerbewegung UCK sollen in Nordalbanien in Lagern getötet und dann als Organspender missbraucht worden sein. Thaci wies alle Vorwürfe auf schärfste zurück und verglich den Bericht von Dick Marty sogar mit der NS-Propaganda. In der Kosovo-Hauptstadt Pristina hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Innenminister Bajram Rexhepi über den Bericht und seine Folgen gesprochen, hier sein Bericht:

Das Freundlichste, was man auf den Straßen von Pristina über Dick Marty hören kann, ist, dass dieser Schweizer verrückt sein muss, wenn er einen derartigen Bericht schreibt. Veteranen der UCK sammeln Unterschriften für eine Petition gegen Marty; doch abgesehen von allen Emotionen ist der politischen und intellektuellen Elite klar, dass dieser Bericht nicht nur Ministerpräsident Hashim Thaci international belastet, sondern auch das Image des Kosovo massiv geschädigt hat. Erschwerend kommt hinzu, dass die Parlamentswahl im Dezember von massivem Wahlbetrug überschattet war und derzeit in Pristina ein Prozess gegen sieben Albaner wegen möglicher Beteiligung an illegalem Organhandel im Jahre 2008 anhängig ist. Innenminister Bajram Rexhepi ist sich all dieser Konsequenzen wohl bewusst. Zu den Vorwürfen im Bericht von Dick Marty sagt Rexhepi:

„Es gab drei Mal Untersuchungen. Eine führte UNMIK, die UNO-Verwaltung des Kosovo durch, die damals auch die Verantwortung für Kriegsverbrechen hatte. Die UNMIK-Untersuchung hat damals nichts Ernsthaftes gefunden, vor allem was den Organhandel betrifft. Die zweite Untersuchung führte das Haager Tribunal unter Karla Del Ponte durch, die auch nicht ergeben hat. Und auch dieser Bericht des Europarates enthält nun nichts Konkretes.“

Rexhepi ist dafür, dass nun so rasch wie möglich eine internationale Kommission eingesetzt wird. Sie soll aus Experten aus der EU und den USA und aus den Justizorganen des Kosovo und Albaniens bestehen und die Vorwürfe ein für alle Mal klären. Der Innenminister selbst hat vor seiner politische Kariere als Chirurg gearbeitet und unter anderem in Agram und Laibach Medizin studiert. Er ist der Ansicht, dass es im Jahre 1999 technisch unmöglich war, in Nordalbanien oder auch in der Nähe von Tirana Organentnahmen an Gefangenen vorzunehmen. Bajram Rexhepi:

„Um das auf richtige Weise durchführen zu können, braucht man eine moderne medizinische Ausstattung und auch die entsprechenden medizinischen Experten. Das ist nicht so, dass man einfach jemanden umbringt, das Organ entnimmt und dann mit dem Flugzeug abtransportiert. Das ist eine komplizierte Prozedur. Zuerst müssen die Zellen des Spenders und des Empfängers typisiert werden, doch dafür gab es damals und sogar noch heute weder in Tirana noch in Pristina entsprechende Laboratorien. Das in einem alten Haus in der Kriegszeit durchzuführen, kann nur der Fantasie einiger Leute entspringen.“

Doch der Bericht von Dick Marty hat nicht nur juristische, sondern auch politische Folgen. Serbien nutzt ihn international um von den Verbrechen abzulenken, die unter Slobodan Milosevic im Kosovo begangen wurden; außerdem fühlt sich Belgrad nun gegenüber Pristina gestärkt und dringt darauf, den Dialog über praktische Probleme so rasch wie möglich zu beginnen. Derartige Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt lehnt Bajram Rexhepi ab:

„Ich bin dagegen, den Dialog mit Serbien zu beginnen, solange der Fall von Dick Marty nicht geklärt ist. Wir können in diesen Dialog nicht mit dieser Wunde und dieser Hypothek eintreten, das ist nicht fair gegenüber dem Kosovo. Wir müssen Klarheit haben, wir müssen zeigen, dass das nicht geschehen ist, dass das nur ein Berichtsentwurf war, der auf Spekulationen beruht. Erst wenn dieser Fall erledigt ist, können wir in den Dialog eintreten, darauf werde ich bestehen.“

Daher ist es besonders wichtig, dass EU und USA so rasch wie möglich eine abschließende Untersuchung durchführen, um die ohnehin schwierige Aussöhnung zwischen Serbien und dem Kosovo nicht noch weiter zu belasten, die für eine endgültige Stabilisierung des Balkan unerlässlich ist.

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