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Interview mit Ramush Haradinaj im Kosovo

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Berichte Kosovo


Im Kosovo tritt heute der Italiener Lamberto Zanieri sein Amt als Chef der UNO-Verwaltung UNMIK an. Der Diplomat ist in Österreich nicht unbekannt, leitete er doch in Wien das Zentrum für Konfliktverhütung der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Lamberto Zanieri ist seit dem Ende des Kosovo-Krieges der achte UNO-Verwalter des Kosovo; er löst den Deutschen Joachim Rücker ab, der dieses Amt seit Herbst 2006 ausgeübt hat. Doch anders als bisher ist der Wechsel an der Spitze der UNMIK mehr als nur Routine, denn die UNO-Mission steht seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vor einer neuen Situation; hinzu kommt, dass die im Aufbau befindliche EU-Polizei- und Justizmission EULEX von der UNO wohl immer mehr Aufgaben übernehmen wird. Darüber und über die Lage im Kosovo hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz im Kosovo mit dem albanischen Politiker Ramush Haradinaj gesprochen, hier sein Bericht:

Der 40-jährige Ramush Haradinaj ist etwa 170 groß, und erinnert an deutsche Landsknechtsführer der frühen Neuzeit. Er wirkt durchtrainiert und willensstark. Diese Eigenschaften machten ihn zu einem der berühmtesten albanischen Freischärler während des Kosovo-Krieges, in dem er zwei Brüder verlor. Serbien hält Haradinaj für einen Kriegsverbrecher; dem Haager Tribunal stellte er sich im März 2005 freiwillig, nachdem er zuvor als Regierungschef des Kosovo zurückgetreten war. Im April dieses Jahres wurde Haradinaj vor allem aus Mangel an Beweisen freigesprochen, doch die Anklage legte Berufung ein. Die Rolle des Tribunals bewerten Haradinaj so:

„Als das Haager Tribunal gebildet wurde, waren wir glücklich, denn wir verstanden das als Akt der Gerechtigkeit für die Opfer und als Antwort darauf, was im Land passiert war. Doch dann waren wir auch geschockt, dass wir Gegenstand dieses Tribunals waren. Heute kann ich sagen, dass ein Gerichtshof nötig war, doch ob er erfolgreich war oder nicht, ist schwer für mich zu sagen. Zur Aussöhnung in unserer Region hat er wahrscheinlich nicht viel beigetragen.“

In ihrem Dorf Glocane errichtet die Familie Haradinaj für Opfer des Krieges eine Gedenkstätte in Form einer Kula, eines traditionellen albanischen Wohnturms, der wie eine Festung wirkt. Als Politiker und Parteiführer redet Ramus Haradinaj jedoch der Aussöhnung mit den Kosovo-Serben das Wort. Dazu zählen nicht nur politische und rechtliche Formen des Minderheitenschutzes, sondern auch praktische Maßnahmen; Ramush Haraindaj:

„Wenn ich von einem wirtschaftlichen Angebot spreche, dann denke ich an Programme zur Beschäftigung, an die Infrastruktur sowie an Investitionen in allen Lebensbereichen, Gesundheit, Bildung, die die Kosovo-Serben brauchen. Wir hatten in der Vergangenheit einige gute Erfahrungen, wenn wir etwa in der Obilic-Region Schulen gebaut haben; das traf nicht auf Widerstand. Daher wollen wir die heutige Lage verbessern.“

Dass diese Strategie kurzfristig erfolgreich sein kann ist ausgeschlossen. Zu tief sitzt das Misstrauen der Serben, zu groß ist der Widerstand Belgrads, das die Unabhängigkeit kompromisslos ablehnt und vor allem im kompakt besiedelten serbischen Norden eine eigene Verwaltung aufbaut. Für die Albaner ist jedoch eine schrittweise Integration des Nordens unverzichtbar; dazu zählt mittelfristig auch die Stationierung der EU-Polizei- und Justizmission; Ramush Haradinaj:

„Im Norden herrscht eine spezielle Form der Unordnung. Eine bestimmte Gruppe nützt die Teilung zwischen Prishtina und Belgrad sowie zwischen den internationalen Akteuren für ganz andere Interessen. Das sind die illegale Wirtschaft und illegale Aktivitäten, die dort stattfinden. Daher gibt es großes Interesse in Prishtina, in Brüssel, aber auch in Belgrad, dort Ordnung zu machen; ansonsten würde man im Norden eine freie Zone für illegale Wirtschaft und für Verbrechen schaffen.“

Unzufrieden ist Haradinaj damit, dass nach dem in Kraft treten der Kosovo-Verfassung Mitte Juni die UNO-Verwaltung nicht beendet, sondern nur verkleinert wird. Ihr Abzug scheiterte am Widerstand Russlands, und nun besteht die UNO vor allem in den Serben-Gebieten weiter, und das birgt die Gefahr der De-Facto-Teilung des Kosovo in sich. Doch das Ende der UNMIK ist nicht das einzige Ziel, das der Oppositionspolitiker Ramush Haradinaj verfolgt:

„Wir wollen in die europäische Familie zurück und natürlich in die NATO. Die Geschwindigkeit wird auch davon abhängen, wie das in Brüssel und in den nationalen Regierungen gesehen wird, und wie gut wir selbst vorankommen. Doch wir haben nur eine Richtung; wir wollen in diese Familie zurück, der wir immer angehört haben.“

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