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Wie geht es im Kosovo nach der Unabhängigkeit weiter

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Berichte Kosovo
Seit Sonntag ist der Kosovo zwar unabhängig von Serbien; ein fertiges Staatswesen ist er aber noch lange nicht. Dem entgegen steht weniger die fehlende Anerkennung durch Großmächte wie Russland. Vielmehr hat der albanisch dominierte Kosovo etwa noch gar keine Hymne; außerdem wird der Staat, der etwa so groß ist wie Oberösterreich, im inneren nur über eingeschränkte Souveränität verfügen. Das sieht der Ahtisaari-Plan vor, den Serbien bei den Kosovo-Verhandlungen in Wien abgelehnt hat. Für die Albaner ist er gleichsam das Drehbuch der Unabhängigkeit. Dieser Plan sieht eine von EU und der NATO überwachte Unabhängigkeit vor. Die Friedenstruppe KFOR bleibt somit weiter im Land, während binnen 120 Tagen die UNO-Verwaltung durch eine EU-Mission abgelöst wird. Diese Mission aus 1800 Polizisten und Richtern soll den Rechtsstaat stärken und außerdem die Einhaltung der Minderheitenrechte, etwa für die Serben, überwachen. Über die weitere Entwicklung des Kosovo und die Bedeutung der Unabhängigkeit hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz folgenden Bericht gestaltet:

Der Kosovo ist derzeit ein merkwürdiges Staatswesen. So haben seine Bürger noch keine Pässe, sondern nur ein UNO-Reisedokument; Viele sogar Albaner nutzen noch den alten jugoslawischen Pass, vor allem wenn sie durch Serbien müssen. Hymne gibt es auch noch keine, dafür ist der Euro seit Jahren Zahlungsmittel, eine Ergebnis der internationalen Präsenz. Doch immerhin beschloss das Parlament in Prishtina am Sonntag auch eine neue Fahne. Auf blauem Grund sieht man den Kosovo in gelb gehalten, darüber sechs weiße Sterne. Diese Fahne ist noch eine Rarität; allgegenwärtig ist die rote albanische Fahne mit dem schwarzen Doppeladler. Trotzdem ist die neue Fahne auch ein Zeichen für den Prozess der Nationsbildung:

„Das ist ein Zeichen dafür, absolut; diese Gefühle werden geschaffen und werden stärker und stärker. Gleichzeitig muss man verstehen, dass die Frage der Identität nicht nur eine Seite hat. Die Menschen werden sich auch weiter als Teil des albanischen Volkes und als Kosovoaren fühlen. Das heißt nicht, dass man seine Volkszugehörigkeit aufgeben muss. Hier würde ich nicht zu offensiv vorgehen, damit sich niemand bedroht fühlt. Denn wenn man zu viel über die Kosovo-Identität spricht, könnten die Leute denken, dass sie etwas aufgeben müssen, obwohl sie es bereits fühlen. Das ist eine Identität der Staatsbürger, des Staates, eines neuen Staates, und das entspricht dem, was man bereits fühlt.“

…erläutert in Prishtina der Politologe Ilir Dugolli. Großalbanien sei im Kosovo kein Thema betont Dugolli. Sehr wohl ein Thema wird nun aber die Verabschiedung einer neuen Verfassung sein. Außerdem muss das Parlament noch viele Gesetze beschließen, die der Ahtisaari-Plan auch für den Schutz der serbischen Minderheit vorsieht. Dazu zählt Dugolli etwa folgende Gesetze:

„Lokale Selbstverwaltung, Gemeindegrenzen und ihre Neugestaltung. Hinzu kommen noch zusätzliche Gesetze, die den Staat lebens- und funktionsfähig machen müssen. Dazu zählt das Gesetz über den diplomatischen Dienst und den Außenminister. Das hatten wir bisher nicht, und das werden wir nun bekommen.“

Was der Kosovo aber noch lange nicht bekommen wird, sind loyale serbische Staatsbürger. Vor allem die Serben im kompakt besiedelten Norden an der Grenze zu Serbien denken nicht im Traum daran, die Unabhängigkeit zu akzeptieren. Massiv unterstützt von Belgrad gilt bei ihnen serbischen Recht. Dugolli hofft jedoch auf die normative Kraft des Faktischen und auf UNO, EU und NATO:

„Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft ist äußerst wichtig im Norden; dort können wir nicht erwarten, dass Vertreter der Kosovo-Institutionen in naher Zukunft stationiert werden. Das wäre unrealistisch. Daher brauchen wir die internationale Präsenz, die garantiert, dass Grenzen nicht verändert werden. Der Rest wird langsam kommen, so dass die Serben sich nicht bedroht fühlen. Ihre Integration wird schrittweise und langsam erfolgen. Das ist nur mit einer massiven Präsenz der internationalen Gemeinschaft im Kosovo möglich.“

Zum Verhältnis zu Serbien, das die Unabhängigkeit ebenfalls strikt ablehnt, sagt Dugolli:

„Kosovo hat bereits sehr gute Beziehungen mit allen Ländern der Region aufgebaut. Die Ausnahme ist Serbien. Gegenüber Serbien wird es Herausforderungen und Probleme auch noch in den kommenden Jahrzehnten geben. Wenn sie nur die Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro betrachten; dort hat Serbien noch immer keinen Botschafter; hochrangige Vertreter Serbiens haben Montenegro als Quasi-Staat bezeichnet. Das gibt uns einen Hinweis darauf, wie viel schwieriger es sein wird, gute Beziehungen mit Serbien zu schaffen. Von Kosovo Seite besteht die Bereitschaft, und entsprechende Anstrengungen wird es geben.“

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