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Lage im Kosovo und in Serbien und Reaktionen auf Unabhängigkeit

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Berichte Kosovo
Wie viele Staaten hat Europa? Seit gestern nicht mehr 46, sondern 47, denn gestern hat die ehemalige serbische Unruheprovinz Kosovo ihre Unabhängigkeit erklärt. Ausgerufen hat sie das Parlament in Prishtina, in dem nur Abgeordnete der albanischen Mehrheitsbevölkerung vertreten waren. In Prishtina und anderen albanischen Gemeinden feierte die Kosovo-Albaner die Unabhängigkeit wie ein Volksfest bis spät in die Nacht. Bei den Kosovo-Serben schwankte die Stimmung dagegen zwischen Erbitterung und Niedergeschlagenheit. Sie wollen die Unabhängigkeit ebenso wenig akzeptieren wie Serbien. Ministerpräsident Vojislav Kostunica warf den USA eine Politik der Gewalt vor und beschuldigte die EU, ihre Prinzipien verraten zu haben. Die Mehrheit der EU-Staaten wird die Unabhängigkeit des Kosovo voraussichtlich bald anerkennen. Über die Geburt und die Geburtswehen des neuen Staates Kosovo berichtet aus dessen Hauptstadt Prishtina unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Diese Worte des kosovarischen Ministerpräsidenten Hashim Thaci werden in die Geschichte des Balkan und Europas eingehen

"Wir, die demokratisch gewählten Führer unseres Volkes, proklamieren den Kosovo zu einem unabhängigen und demokratischen Staat."

Der Applaus der kosovo-albanischen Abgeordneten bedeutete die Ausrufung der Unabhängigkeit. In ihrer Erklärung verpflichtet sich der Kosovo zu einer von der Friedenstruppe KFOR und der EU überwachten Unabhängigkeit. Die EU-Mission umfasst 1800 Polizisten und Richter, die den Rechtsstaat weiter aufbauen sollen. In der Unabhängigkeitserklärung verpflichtet sich der Kosovo zur Umsetzung des von Serbien abgelehnten Ahtisaari-Plans; er sieht einen umfassenden Schutz der serbischen Minderheit vor. Sie boykottierte die Parlamentswahl im Herbst; den Abgeordneten der Splitterparteien, die bei der Wahl doch teilnahmen, war es nicht gestattet, gegen die Unabhängigkeit zu protestieren. Sie werden nun das Parlament ebenso boykottieren wie die Kosovo-Serben die EU-Mission. Viele Serben sehen aber keine Zukunft mehr im Kosovo:

"Das hier ist Serbien und ein serbisches Land; von hier entstammt das Serbentum. Ich soll warten, wie sich die Lage entwickelt? Ich will nicht warten! Letzte Nacht habe ich in Serbien geschlafen. Wahrscheinlich wache ich morgen in Albanien auf. Ich will nicht, dass meine Kinder in die Lage kommen, die die Serben in Albanien erlebt haben, die überhaupt nicht Serbisch können. Das werde ich nicht zulassen, dass das meine Kinder im Kosovo erleben."

… sagt ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes in der Enklave Gracanica. Im Norden des Kosovo, in der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica explodierte eine Bombe; verletzt wurde niemand. In der Stadt wird heute eine Massendemonstration stattfinden. Zu Ausschreitungen kam es in Serbien. Einige hundert Demonstranten scheiterten beim Versuch die Botschaft der USA zu stürmen, warfen aber die Scheiben der slowenischen Botschaft und von MacDonalds im Zentrum ein. Serbien betonte, die Unabhängigkeit des Kosovo niemals akzeptieren zu wollen; gleiches gilt für Russland, auf dessen Verlangen hielt der UNO-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung ab. Moskau forderte, die UNO möge die Unabhängigkeitserklärung für nichtig erklären, ein Begehren, das angesichts des westlichen Widerstandes chancenlos war.

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