× Logo Mobil

Die Kroaten von Janjevo

Radio
MiJ
Berichte Kosovo
Die Darstellung des Kosovo-Konflikts konzentriert sich in der Regel auf die Auseinandersetzung zwischen albanischer Mehrheit und serbischer Minderheit sowie auf die Frage, ob der Kosovo unabhängig von Belgrad wird oder nicht. Dabei wird oft übersehen, dass im Kosovo noch viele kleine Minderheiten leben. Dazu zählen Roma, Bosnjaken, Goranzen, Türken sowie etwa 300 Kroaten. Sie leben etwa eine halbe Autostunde von Prishtina im Dorf Janjevo entfernt. Zu finden ist in diesem mehr als 700 Jahre alten Dorf noch eine weitere Minderheit, und zwar etwa 100 katholische Albaner. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Im Advent rufen die Glocken der Kirche von Janjevo jeden Tag um sechs Uhr früh zum Gottesdienst. Die Stimmung in der schlichten, 250 Jahre alten Kirche ist fast mystisch, allerdings auch deshalb, weil der Ort wieder ein Mal ohne Strom ist. Trotz der eher unchristlichen Uhrzeit sind 40 Dorfbewohner gekommen darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Sie erhalten am Eingang jeden Tag ein Bildchen, das Teil eines Mosaiks ist. Ist es am Weihnachtsabend vollständig gibt es ein Geschenk von Don Matej Palic; der 64-jährige, stämmige, grauhaarige Priester stammt selbst aus Janjevo:

"Die Kirche ist der Hauptsammelpunkt für alle, und auch das ganze Leben dreht sich um die Kirche, es gibt auch nichts anderes. Mit Hilfe von zwei Ordensschwestern sind wir sehr aktiv; die Gemeinde ist klein aber erfordert sehr viel Einsatz, denn alles spielt sich um die Kirche herum ab."

Palic studierte in Rijeka Theologie und kam 1990 in den Ort zurück:

"Ich bin zurück gekommen als Janjevo noch gefüllt war; allein 4.500 Kroaten lebten hier. Doch 1991 als die Unruhen in Kroatien begannen, als es zum Zerfall Jugoslawiens kam, erlebte auch das Dorf Janjevo seinen Zerfall. Bis 1993 sind etwa 2.500 ausgewandert; den nächsten großen Exodus gab es 95/96, dann auch vor dem Krieg um den Kosovo, und jetzt sind wir nur mehr etwa 300 Kroaten in Janjevo."

Und wie haben die Kroaten den Kosovo-Krieg überlebt, die sich sprachlich von den Serben kaum unterscheiden?

„Nach dem Krieg gab es einige Zwischenfälle, allerdings außerhalb des Dorfes. Es war schwierig zum Handeln nach Lipljane oder Prishtina zu fahren. Doch wenn die Leute erfuhren, dass wir Kroaten sind und aus Janevo kommen gab es keine Probleme, denn der Ort ist bekannt dafür, dass hier Kroaten leben. Heute ist die Lage etwas anders; seit einigen Jahren kommunizieren die Leute normal miteinander und auch der Handel verläuft normal. Was man im Ort jedoch noch immer sieht, sind die verlassenen alten Häuser, die vor allem nach dem Krieg zerstört und geplündert wurden. Das ist sehr zu bedauern, denn nach dem Krieg müsste man wieder aufbauen, doch bei uns wurde nicht gebaut, sondern zerstört.“

… bedauert Don Matej. Janjevo liegt am Ende eines Talkessels. Die meisten Straßen sind nicht gepflastert, die alten Häuser sind oft aus rohem Stein erbaut, mit Lehm verputzt und mit roten Ziegeln gedeckt. Auf der Anhöhe steht die Kirche, am Dorfplatz die Moschee, denn auch Türken und muslimische Albaner sowie Roma leben im Dorf. Am Dorfplatz gibt es kleine Läden und sogar ein Internetkaffee; Reich wird der Betreiber davon nicht; die Benutzer sind rar, eine Stunden Surfen kostet 50 Cent, doch mit den Einnahmen muss auch das Benzin für das Aggregat bezahlt werden, weil Janjevo ebenso wie der ganze Kosovo unter massiven Stromabschaltungen leidet. Das karge Leben schildert der Kroate Nikola Rodic:

"Die einen betreiben Viehzucht, sie haben Kühe, Schafe oder Ziegen; andere erzeugen aus der Milch Käse und verkaufen ihn; andere wieder haben eine Wald und verkaufen Holz für den Winter. Dann gibt es kleine Geschäfte zwischen Albanern und Kroaten; schließlich schicken Verwandte auch aus Kroaten etwas Geld; das gilt vor allem für Familien, die hier noch jemanden haben. So findet man sich zurecht, es ist schwer, aber was bleibt uns übrig."

Janjevo ist ein stiller Ort geworden, denn die einzige Fabrik arbeitet seit Jahren nicht mehr.

Laut geht es nur in der Schule zu, und zwar in den Pausen zwischen den Stunden. Albaner und Kroaten werden im selben Gebäude unterrichtet. Die Albaner nach kosovarischen Lehrplänen, die Kroaten nach Lehrplänen und mit Schulbüchern aus Serbien. Dieses Kuriosum wollen die Kroaten beseitigen, doch der kroatische Staat beginnt erst in Janjevo aktiv zu werden, und Serbien zahlt einem Lehrer 650 Euro im Monat, während ein albanischer Lehrer nur 200 Euro bekommt. Gemeinsame schulische Aktivitäten zwischen Kroaten und Albanern gibt es nicht, doch es gibt auch keine Spannungen wie zwischen Serben und Albanern. Was die Bewohner von Janjevo verbindet ist jedoch eine Art Dialekt, und auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach einer hoffentlich friedlichen und raschen Lösung des internationalen Status des Kosovo.

Facebook Facebook