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Brezovica, die Enklave Strpce und die Sichtweise der Serben im Kosovo

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Berichte Kosovo
In Brüssel hat die EU gestern wieder um eine einheitliche Haltung in der Frage des Kosovo gerungen. Immer mehr zeichnet sich ab, dass es im Februar, nach der Präsidentenwahl in Serbien, zur Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz kommen könnte. Je näher diese Entscheidung rückt, desto verhärteter werden die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern vor Ort. Serbien will sich mit allen friedlichen Mitteln gegen den Verlust der Provinz wehren und Russland warnt vor den Folgen der Unabhängigkeit für andere Krisenregionen der Welt. Die Kosovo-Albaner wiederum fordern eine rasche Entscheidung. So haben in Prishtina gestern Tausende für die Unabhängigkeit demonstriert. Nicht an diese Möglichkeit glauben wollen die Kosovo-Serben, die vor allem in den Enklaven noch immer ein tristes Dasein fristen. Eine dieser Enklaven hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz besucht und folgenden Bericht gestaltet:

Die Region Brezovica im Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und Mazedonien war einst ein sehr beliebtes Schigebiet. Doch die Zeiten des alten Jugoslawien sind lange her, und auch das Hotel Narzisse macht einen mehr als verwelkten Eindruck. Die Ledergarnitur in der Halle ist verschlissen und die bröckelnde Fassade des Hotels strahlt den geheimen Charme der kommunistischen Architektur der 70iger Jahre aus, der dem westlichen Betrachter stets verschlossen bleiben wird. Brezovica gehört zur Gemeinde Strpce, die mit 10.000 Serben die größte Enklave des Kosovo ist. Die unsichere Gesamtlage und der Streit mit Serbien verhinderten bisher die Privatisierung des maroden Tourismusbetriebes. Doch das politische Klima hat sich etwas entspannt und das wirkte sich auch auf den Fremdenverkehr aus:

"Ein minimales Wachstum des Fremdenverkehrs setzte dennoch in den vergangenen zwei Jahren ein trotzdem ist die Auslastung der Hotels minimal. Die meisten Gäste sind aus der Gegend und Albaner aus dem Kosovo. Doch die Gäste kommen nur über das Wochenende zum Schifahren und daher bleiben die Hotels weiter leer"

… erläutert die 28-jährige Radica Grbic von der Gemeinde Strpce. Als Gäste werden die Albaner akzeptiert, nicht jedoch als potentielle Investoren:

"Wir befürchten, dass ein albanischer Arbeitgeber auch albanische Mitarbeiter mitbringt und dann, sobald die gesetzliche Schutzfrist für unsere Arbeiter abgelaufen ist, diese Serben entlässt. Das würde dann die Absiedlung aus dieser Gemeinde weiter fördern."

In Strpce prägt der Kleinhandel prägt das Bild, die meisten Waren werden importiert, auch aus Serben. Die Landwirtschaft dient der Selbstversorgung; Serbien finanziert das Schul- und Gesundheitswesen, denn das Geld aus dem Kosovo-Budget wird abgelehnt, obwohl die Finanznot der Gemeinde überall spürbar ist. Das Budget betrug im Vorjahr 800.000 Euro und für Investitionen standen gerade 40.000 Euro aus Gebühren zur Verfügung, die die Gemeinde einhebt. Nach Strpce kommen Albaner nicht zur zum Schifahren oder zum Handeln; auch etwa 5.000 Albaner leben in vier Dörfern, die zur Gemeinde gehören; doch miteinander leben beide Volksgruppen nicht. So lernen die serbischen Kinder in der Schule zwar englisch aber nicht albanisch, und die Albaner lernen nicht mehr serbisch. Völlig unterschiedlich sind auch die Lehrpläne. Die serbische Schule hat oft keinen Strom; Grund dafür ist der Streit um jahrelang, offene Stromrechnungen mit dem albanischen Stromversorger. Doch ob die serbischen Schulkinder von Strpce je im Kosovo arbeiten werden ist fraglich, nicht nur weil die Jugendarbeitslosigkeit hoch ist. Zwar ist die Sicherheitslage besser und die Friedenstruppe KFOR ist nicht mehr so stark präsent wie früher; doch in einem unabhängigen Kosovo sieht kaum ein Serbe seine Zukunft; Radica Grbic:

"Die Serben werden niemals akzeptieren in einem unabhängigen Staat Kosovo zu leben. Sicherlich wäre es nicht möglich in diesem Fall hier zu überleben. Es käme sicher zu einer schrittweisen Absiedlung und nach einigen Jahren würde hier niemand mehr leben. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Albaner derzeit einen friedlichen Anschein erwecken, um ihre Ziele zu erreichen, doch nach einigen Jahren, wenn die internationale Gemeinschaft abgezogen ist, würden die Albaner die Serben marginalisieren und so zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.“

Die gesamte Hoffnung ruht somit auf der Regierung in Belgrad, auch was den ersehnten Wirtschaftsaufschwung betrifft. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt; im Februar könnte es so weit sein, weil der Kosovo dann unabhängig sein könnte. Ob die Serben bleiben oder auswandern, wird von den konkreten Taten der Albaner noch mehr aber von den Botschaften abhängen, die die Regierung in Belgrad dann aussenden wird.

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