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Reportage über Parlamentswahlen im Kosovo

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Berichte Kosovo
Im Kosovo finden derzeit Parlaments- und Lokalwahlen statt. Es sind die dritten Parlamentswahlen seit dem NATO-Krieg im Jahre 1999 mit dem Serbien de facto die Herrschaft über den Kosovo verlor. Seit damals wird die Provinz von der UNO verwaltet, während eine NATO geführte Truppe den Frieden sichert. Dieses Provisorium soll im kommenden Jahr zu Ende gehen, weil der internationale Status der Provinz geregelt werden soll. Wie genau ist noch offen, denn eine Einigung zwischen Serbien und den Albanern über die Frage der Unabhängigkeit ist nicht in Sicht. Daher treten zu den Wahlen im Kosovo auch nur einige serbische Splitterparteien an; die relevanten Kräfte boykottieren auf Geheiß Belgrads die Wahlen. Auf albanischere Seite kandidieren bei den Parlamentswahlen mehr als 20 Parteien, hinzu kommen noch Parteien anderer nationaler Minderheiten. Zu vergeben sind 120 Sitze; davon sind 20 für Minderheiten reserviert. Wahlberechtigt sind etwa 1,5 Millionen Bürger des Kosovo. Aus dem Kosovo berichtet Christian Wehrschütz:

Hymnen, große Reden, viele Fahnen und massenweise Wahlplakate prägten auch bei diesem Wahlkampf im Kosovo das Bild. Zentrales Thema war wieder die Unabhängigkeit, die nun endlich kommen soll. Sie dient als Ausrede für alles, wie der Intellektuelle Bealjulj Beqai ironisch anmerkt:

„Bei uns würde sogar die Scheidung einer Ehe mit dem Fehlen der Unabhängigkeit in Verbindung gebracht. Natürlich wurden auch das Nicht-Funktionieren von Wasserversorgung und Kanalisation damit begründet, dass wir den Status des Kosovo nicht gelöst haben.“

Ansonsten haben die albanischen Politiker außer Hochglanzbroschüren nicht viel zu bieten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Infrastruktur und Gesundheitswesen sind in miserablem Zustand. Die Erwartungen sind daher gering:

„Als Bürger von Prishtina erwarte ich von den Wahlen gar nichts Gutes. Sie haben bisher nichts geleistet, daher erwarte ich nichts.“

Angesichts dieser Stimmung wird im Kosovo auch um hohe Wahlbeteiligung geworben, etwa im Kaffeehaus. Zum Kaffe erhält man Zuckersackerln, auf denen zu lesen steht: „Während Du auf die Stimmabgabe wartest, kannst Du die Liebe deines Lebens kennen lernen“; oder: Die Wahl ist süß, Geh‘ wählen.“

Gewählt wird jedenfalls unter anderen Voraussetzungen als vor drei Jahren. Ibrahim Rugova, der legendäre Präsident, ist im Vorjahr verstorben. Seine Partei LDK musste noch einen Abspaltung hinnehmen, hat keinen klaren Spitzenkandidaten und könnte die Position als stärkste Kraft an den bisherigen Oppositionsführer Hashim Thaci und seine PDK verlieren. Thaci will Ministerpräsident werden, braucht dazu aber Koalitionspartner. Thaci kommt auch zugute, dass die bisher drittstärkste Kraft AAK personell geschwächt ist. Ihr populärer Ex-Vorsitzender, der ehemalige Regierungschef Ramush Haradinaj, darf offiziell nicht eingreifen, weil gegen ihn ein Prozess wegen Kriegsverbrechen vor dem Haager Tribunal im Gange ist. Trotzdem sind Haradinaj und Rugova auf Wahlplakaten präsent. Präsent sind auf so manchen Listen auch Politiker, die mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung stehen sollen oder bereits im Gefängnis saßen, doch das ist nichts Neues. Der große Unsicherheitsfaktor der Wahl heißt Behgjet Pacolli. Der im schweizerischen Lugano lebende Pacolli geriet vor Jahren durch enge Kontakte zum damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin ins internationale Rampenlicht. Pacolli renovierte nicht nur den Kreml, sondern hat etwa auch in Kasachstan viel gebaut. Der 56-jährige Pacolli gilt als sehr reich, daher als unbestechlich und präsentiert sich als Hoffnungsträger:

„Wir haben uns nicht nur auf die Unabhängigkeit konzentriert, sondern auch auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ich weiß, dass die Unabhängigkeit kommen wird, doch diese Unabhängigkeit bedeutet, dass man auch unabhängig von Korruption sein muss, unabhängig von Armut, und sehr viele Unabhängigkeiten noch.“

Pacollis erst im Vorjahr gegründete „AKR könnte nach Umfragen auf Anhieb drittstärkste Partei werden; trotzdem wird die Erneuerung der politischen Eliten noch lange dauern, erläutert der Intellektuelle Bealjulj Beqai:

„Die Bürger des Kosovo orientieren sich weiter an Führern oder an traditionellen politischen Einstellungen. Unsere Bürger unterstützen eher einen Politiker mit zehn Leibwächtern als einen der zehn Arbeitsplätze im Kosovo geschaffen hat.“

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