Lage im Kosovo nach Haradinaj
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„Unser Ministerpräsident hat hier eine Aufgabe zu erfüllen“, steht auf Plakaten in Prishtina in englischer Sprache geschrieben. Die Plakate zeigen das Bild von Ramush Haradinaj und sind wohl als Auforderung an UNO, EU und USA gedacht, sich für die Freilassung des populären Politikers einzusetzen. Doch Haradinajs rasche Rückkehr aus Den Haag ist nicht zu erwarten. Das könnte zu Spannungen führen, räumt der neue Ministerpräsident Bajram Kosumi ein, der gleichzeitig zu beruhigen versucht:
„Ich glaube, dass wird nicht passieren, doch es könnten Probleme auftauchen, sollte Ramush Haradinaj weiter ohne Grund in Den Haag bleiben. Trotzdem ist unsere Politik darauf ausgerichtet, die demokratischen Standards umzusetzen und die Serben in unsere Gesellschaft zu integrieren. Zu diesen Standards zählen etwa der Aufbau demokratischer Institutionen und die Bildung einer multiethnischen demokratischen Gesellschaft.“
Diese Ziele hat Ramush Haradinaj vorgegeben und in den nur drei Monaten seiner Amtszeit mit großer Energie verfolgt, um die Basis für Gespräche über den internationalen Status des Kosovo zu schaffen. Ebenso wie Haradinaj gehört Bajram Kosumi der Partei AAK an. Sie ist der kleinere Koalitionspartner der LDK von Präsident Ibrahim Rugova. Kosumi rechnet nicht damit, dass Belgrad rasch zur intensiven Zusammenarbeit mit den Kosovo-Albanern bereit sein wird. Kosumi hofft daher auf zunehmende Kooperationsbereitschaft der Kosovo-Serben:
„Im Kosovo sinkt die Zahl der Serben, die die Entwicklung blockieren und boykottieren wollen. Doch die nationalen Konflikte im Kosovo sind nicht einige Jahre, sondern hundert Jahre alt. Diese Konflikte kann man daher nicht in einigen Wochen lösen. Doch wichtiger ist, dass wir damit beginnen, das gute Einvernehmen zwischen den Völkern zu fördern. Ziel ist ein Kosovo, der für alle eine Heimat ist, die hier frei leben wollen.“
Nach den Unruhen im März des Vorjahres flohen 4.100 Serben vor allem in sicherere Gebiete im Kosovo. 2.400 von ihnen sind zurückgekehrt und fast alle der 900 zerstörten Häuser wurden wieder aufgebaut. Doch Zehntausende nach dem Krieg vertrieben Serben warten noch immer auf die Rückkehr. Hinzu kommt, dass etwa die geplante Dezentralisierung des Kosovo, die auch den Serben mehr Rechte bringen soll, wegen politischer und bürokratischer Hürden noch nicht umgesetzt ist. Ob der 42-jährige Bajram Kosumi diese Probleme mit ebenso großer Energie wie Ramush Haradinaj anpacken wird, ist fraglich. Gemeinsam mit seinem Vorgänger ist ihm jedenfalls der langjährige Kampf für die albanische Unabhängigkeit. So saß Kosumi wegen der Teilnahme an den Studentenprotesten im Jahre 1981 fast zehn Jahre in serbischen Gefängnissen. Sein Ziel ist nun die Aussöhnung und der wirtschaftliche Aufbau. Dazu sagt Kosumi:
„Die Importe übersteigen die Exporte um ein Vielfaches. Im Kosovo gibt es fähige Unternehmer, und daher besteht die Möglichkeit, Produkte auf dem europäischen Markt zu placieren. Doch die Zollpolitik ist schlecht. 24 Prozent Zoll wird für alles bezahlt, das in den Kosovo kommt, das gilt für Fertigwaren ebenso wie für Investitionsgüter. Wir wollen daher den Zoll für Investitionsgüter beseitigen und die Zollraten senken, damit wir Produkte nach Europa exportieren können.“
Doch Wirtschaftsaufschwung setzt auch politische Stabilität voraus, die bisher fehlt. Denn extremistische Albaner hielten bisher still, weil mit Ramush Haradinaj eine starke Hand vorhanden war, und weil man sich von EU, USA und UNO noch heuer die Zustimmung zur Unabhängigkeit erwartet. Sie ist ebenso offen wie die Frage, welche mittelfristigen Folgen Haradinajs Abwesenheit haben wird. So kam es unmittelbar nach seinem Gang nach Den Haag zu mehreren kleineren Anschlägen gegen die UNO-Verwaltung. Diese Warnungen zeigen, welches Konfliktpotential vorhanden ist und wie groß die Probleme sind, die Bajram Kosumi und die internationale Gemeinschaft im Kosovo noch zu lösen haben.