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Wirtschaftliche und Soziale Lage im Kosovo

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Berichte Kosovo
Knapp fünf Jahre nach dem Ende des Kosovo-Krieges der NATO haben die blutigen Ausschreitungen der albanischen Mehrheit gegen die serbische Minderheit auf drastische Weise gezeigt, wie weit entfernt das Kosovo-Problem von einer dauerhaften Lösung ist. Doch die Albaner haben in der vergangenen Woche nicht nur Serben angegriffen. Der Unmut richtete sich auch gegen die UNO-Verwaltung UNMIK. Ihre Gebäude wurden mit Steinen beworfen und Autos der UNMIK wurden von Demonstranten in Brand gesteckt. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat die Auseinandersetzungen in den vergangenen Tagen im Kosovo mitverfolgt. Er ist auch der Frage nachgegangen was diese Ereignisse für die Serben bedeutet und warum die UNO im Kosovo immer mehr zur Zielscheibe der Albaner wird. Die Antworten, die er gefunden hat, hören sie im folgenden Bericht:

Der Krieg der NATO um den Kosovo endete vor fünf Jahren mit der Befreiung der Albaner von der Herrschaft von Slobodan Milosevic sowie der Flucht und Vertreibung von etwa 200.000 Serben. Im Kosovo verblieben etwa 110.000 Serben. Die Masse von ihnen lebt im Norden, der an Serbien grenzt, etwa 40.000 leben in drei Enklaven. Einige wenige verblieben auch in kleineren Dörfern, die von Albanern umgeben sind. Durch die jüngsten Ausschreitungen der Albaner wurden nach Angaben der UNO-Verwaltung des Kosovo etwa 350 serbische Häuser sowie 30 Kirchen und Klöster zerstört. Doch die Folgen dieser Ausschreitungen gehen weit über die materiellen Schäden hinaus. Dazu sagt der Leiter der Außenstelle der österreichischen Botschaft in Pristina, Alexander Bayerl:

„Seit der NATO-Intervention, seit der Präsenz der UNMIK hat man sich mit allen Mitteln bemüht, den sogenannten multiethnischen Kosovo zu schaffen, einen Kosovo, wo die beiden großen Volksgruppen in Eintracht miteinander leben können. Dieses Projekt ist gescheitert. Für die Serben bedeutet das, dass abgesehen von vier großen Enklaven, in denen sie sich halten können, die Idee eines gemischten Kosovo flächendeckend zur Illusion geworden ist.“

Die Rückkehr vertriebener Serben sowie die Aussöhnung von Albanern und Serben liegen damit ebenso auf Eis wie die Regelung der völkerrechtlichen Stellung des Kosovo, die für 2005 geplant war. Verzögert wird damit auch die dauerhafte Stabilisierung des Balkan. Denn die ungeklärte Stellung des Kosovo beeinflusst auch die Lage in Mazedonien, in Serbien und in Montenegro wo ebenfalls Albaner leben. Doch der bereits Generationen dauernde Konflikt zwischen Serben und Albanern darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die jüngsten Ausschreitungen auch gegen die UNO-Verwaltung UNMIK richteten. Ihre Gebäude wurden von Albanern mit Steinen beworfen und UNMIK-Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Dazu sagt Alexander Bayerl:

„Man sieht in der UNMIK eine ineffiziente, intransparente Verwaltung, die die Bevölkerung nicht erreicht, und man ärgert sich über die Gehaltsstrukturen der UNMIK. Man sieht also bei vielen die Perspektive zum Geld verdienen in den Kosovo zu kommen, aber für das Land nicht das zu leisten, was man sich erwartet.“

Die UNMIK beschäftigt im Kosovo etwa 4.000 internationale Beamte und knapp 9.500 lokale Mitarbeiter. Damit ist die UNMIK der größte Arbeitgeber in dieser zwei Millionen Einwohner zählenden Provinz, die etwas kleiner ist als Oberösterreich. Die Löhne, die die UNMIK ihren lokalen Mitarbeitern zahlt, sind fünf bis sechs Mal höher als das Einkommen der albanischen Eliten im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der Verwaltung. Die Löhne in der Privatwirtschaft sind noch niedriger. Dieser Umstand sowie der massive Zustrom von Geld, das albanische Gastarbeiter im Westen erarbeiten, verzerrt das Preisniveau im Kosovo, das praktisch dem Niveau in Westeuropa entspricht. Diese Tatsache sowie Immobilienpreise von 2000 Euro pro Quadratmeter in Pristina schrecken ausländische Investoren ab und belasten die heimische Bevölkerung. Denn die Wirtschaftslage ist katastrophal, wie Alexander Bayerl erläutert:

„Wir haben massive Arbeitslosigkeit. Die Schätzungen gehen von 60 bis 70 Prozent, Jugendarbeitslosigkeit bis 90 Prozent, Durchschnittseinkommen katastrophal niedrig, nur ein Beispiel: Als Lehrer verdient man 120 Euro netto im Monat.“

Vergangenes Jahr importierte der Kosovo Waren im Wert von fast einer Milliarde Euro, darunter vorwiegend Nahrungsmittel. Exportiert wurden nur Waren im Wert von knapp 30 Millionen. Die praktisch hundertprozentige Importabhängigkeit dürfte einzigartig in der Welt sein. Mit 12 Millionen Euro lagen Metalle bei den Exporten an erster Stelle. Doch allein die Papierimporte aller internationalen Organisationen im Kosovo sollen diesen Wert übersteigen. Einziger wirklicher Exportschlage des Kosovo sind seine vor allem jungen Arbeitskräfte, die die Familien daheim versorgen. Der Kosovo ist somit eine internationale Wirtschaftskolonie, die von internationalen Organisationen mehr schlecht als recht verwaltet wird. Ein stabiler Kosovo, eine Aussöhnungen mit den Serben und ein stabiler Balkan werden unter diesen Bedingungen aber nicht zu erreichen sein.

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