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Steiner Interview

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Berichte Kosovo
Der Deutsche Michael Steiner ist seit Februar neuer Sondergesandter des UNO-Generalsekre-tärs im Kosovo und damit de facto Verwalter der Provinz. Steiners Vollmachten im Kosovo sind noch umfassender als jene des Österreichers Wolfgang Petritsch, der in Bosnien tätig ist. Steiner hat lange Balkan-Erfahrung. Er war nach 1995 Stellvertreter des Hohen Repräsen-tanten in Bosnien und von 1998 bis 2001 Außenpolitischer Berater des deutschen Bundes-kanzler Gerhard Schröder. In dieser Funktion war Steiner auch mit dem Kosovo-Krieg befaßt. In seiner nunmehrigen Funktion im Kosovo gelang es Steiner die politische Blockade zwischen den drei führenden albanischen Parteien bei der Regierungsbildung zu überwinden. Seit knapp einer Woche hat der Kosovo nun seine erste demokratisch legitimierte Führung. Über die Lage im Kosovo hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Pristina mit Michael Steiner das folgende Interview geführt:

In die Freude über die Bildung der ersten demokratischen Regierung des Kosovo mischen sich auch Wermutstropfen, wegen des Machtkampfes zwischen den albanischen Parteien dauerte die Regierungsbildung drei Monate. Zeigt das nicht auch, wie dornig der Weg des Kosovo noch sein wird?

„Man muss fairerweise auch sehen: Woher sollen sie es denn auch haben? Sie haben ja keine demokratische Übung. Sie fangen ja faktisch von Null an. Und ich glaube, fairerweise muss man ihnen auch zubilligen, nach den traumatisierenden Erlebnissen der vergangenen Jahre, die dann kulminierten in diese unglaublichen Grausamkeiten von 1999, ist es natürlich schwierig, jetzt so zu tun, als wäre man schon eine normale Demokratie.“

Statt einer Regierungserklärung teilte der neue Ministerpräsident Rexhepi mit, dass zunächst alle Ministerien eingerichtet und fehlende Computer beschafft werden müssten. In welchem Ausmaß bestehen überhaupt die materiellen Grundlagen für diese neue Kosovoregierung?

„Wir fangen bei Null an. Das ist das erstemal, dass hier eine demokratisch legitimierte, in überwachten Wahlen legitimierte, Regierung geschaffen wurde. Und wir helfen ihr. Wir stellen parlamentarische Experten zur Verfügung, jede Menge Personal. Aber man muss natürlich auch aufpassen, dass wir hier keinen Overkill haben. Wenn wir alles und jedes – sozusagen die gebratenen Tauben servieren – dann kommt man sehr leicht in die Gefahr, dass man Abhängigkeitsstrukturen schafft. Ein bisschen was müssen sie auch selber machen. Dass das nicht alles perfekt ist und dass nicht jeder am ersten Tag einen Computer auf dem Tisch stehen hat... Mein Gott so ist es. Das ist halt so, wenn man anfängt.“

Mit der Übergangsverfassung wurden doch einige Kompetenzen des UNO- Verwalters an die nunmehrige Regierung des Kosovos übertragen. Wie sehen sie denn nun ihre Position?

„Die Idee ist, dass die ursprünglich ganz umfassenden Kompetenzen allmählich immer geringer werden. Weil wir ja im Wege der Transformation die Befugnisse allmählich alle an die Regierungsinstitutionen übergeben wollen. Mit all den Rückschlägen, die es dabei geben wird. Ich habe natürlich noch Kompetenzen im Bereich der Sicherheit, im Bereich des Eigentums, im Bereich der Energie, Polizei. In einer ganzen Reihe von Fragen. Das soll aber schrittweise übergeben werden. Denn das Ziel ist natürlich, dass wir letztlich hier überflüssig werden. Wir haben unsere Arbeit hier erfolgreich abgeschlossen, wenn wir sämtliche Befugnisse übergeben haben.“

Zu ihren Kompetenzen zählt auch die Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal. Dort sind derzeit nur sehr wenige Kosovoalbaner inhaftiert. Werden diese Auslieferungen prominenter ehemaliger albanischer Freischärler ein Problem angesichts der albanischen Bevölkerungsmehrheit?

„Hier gibt es keinerlei Spielraum für uns, oder politische Ermessenserwägungen. In dem Moment, wo der Haager Gerichtshof jemanden anklagt, wird er von uns verhaftet. Wir sind hier rechtlich gebunden. Das ist völkerrechtliche Verpflichtung und sie können das auch daran erkennen, dass wir erst kürzlich drei der Kriegsverbrechen Beschuldigte festgenommen haben. Und da hat es hier Demonstrationen gegeben. Aber da kann ich nur sagen:Ihr Kosovaren, ihr müsst euch entscheiden, wo ihr hinwollt. Wenn ihr nach Europa wollt, dann müsst ihr die Rechtsstaatlichkeit akzeptieren. Man kann nicht beides haben“

Die serbische Minderheit lebt noch immer in Angst und Unsicherheit. Die Abwanderung hält an, die Zahl der Rückkehrer ist gering. Wie bedeutend ist für sie ein neues Zusammenleben zwischen Serben und Albanern?

„Das ist der Test sozusagen an die Europafähigkeit Kosovos. Es ist nicht normal und es kann nicht normal bleiben, dass die serbischen Abgeordneten wie andere Serben auch sich hier nur unter Schutz bewegen können in mehrheitlich albanischen Gebieten. Das muss man angehen. Das ist eine der Prioritäten, auch um die Rückkehr zu ermöglichen. Man muss auch darauf setzen, dass man nicht alles gleich erreichen kann, sondern es nur in Schritten erreichen kann. Ich glaube, schrittweise müssen wir es schaffen, Vertrauen zu gewinnen. Das gewinnt man am besten unter den unmittelbar Betroffenen. Das muss hier aus dem Kosovo kommen. Wir werden hier Rückschläge bekommen. Es gibt Extremisten auf allen Seiten - Gar keine Frage – die das nicht wollen, dass wir hier erfolgreich sind. Die werden uns auch Schwierigkeiten machen. Da bin ich ganz sicher. Aber die Richtung muss stimmen und ich glaube, die Richtung stimmt.“

Zu den enormen Problemen des Kosovo zählen die wirtschaftliche Rückständigkeit, Schattenwirtschaft und Schmuggel. Welche Bedeutung messen Sie denn dem wirtschaftliche Aufbau des Kosovo bei?

„In einem Land, wo über 50 Prozent jünger sind als 20 Jahre, in einem Land wo die Arbeitslosigkeit auch über 50 Prozent liegt, ist das natürlich ein entscheidendes Thema. Wir müssen Kosovo attraktiv machen. Dass die Menschen hier bleiben. Wir müssen es erreichen, dass diese ja sehr optimistische, aktive Bevölkerung sich hier engagiert vorort. Dass sie auch das Geld, was es ja gibt, hier auch investiert. Dieses ist ein Euro-Land. Also, sie können hier mit dem selben Geld zahlen wie in Österreich oder wie in Finnland. Es gibt auch Geld hier. Dass dieses Geld investiert wird, setzt voraus, dass die Investoren Vertrauen haben in die Strukturen. Da brauchen sie Rechtssicherheit, da brauchen sie eine Privatisierung. Da müssen die ökonomischen Voraussetzungen vorhanden sein. Hier muss man beitragen, dass diese geschaffen werden.“

Der Kosovo kostet den Westen noch immer sehr viel Geld. Nachdem nun das gröbste überstanden ist und andere Krisenherde in den Vordergrund getreten sind, besteht da nicht die Gefahr, dass der Kosovo zunehmend von der internationalen Tagesordnung verschwindet?

„Wir müssen eines vermeiden. Dass bei aller Konzentration auf weltpolitische Ereignisse, wir vergessen, dass das hier Europa ist. Und was nicht passieren darf, ist dass nach diesem riesen Engagement, dass wir hier hatten als internationale Gemeinschaft im Kosovo jetzt hier etwas schief geht und wir ein Vakuum haben und hier noch weiter Unsicherheit exportiert wird. Wir müssen ein Interesse als Europäer daran haben, dass Kosovo Teil der stabilisierenden Strukturen Europas wird und nicht das Gegenteil. Deswegen müssen wir auch engagiert bleiben und deswegen tun wir auch unseren Job hier. Oder versuchen es jedenfalls“

Wann wird denn geklärt werden können, welchen völkerrechtlichen Status der Kosovo haben wird?

„Um die Statusfrage angehen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Sie müssen einen gewissen Grad an Rechtssicherheit haben, an Sicherheit haben, an ökonomischer Entwicklung haben. So dass dieses Land wirklich auch europafähig ist. Ich glaube, wenn wir in den verschiedenen Bereichen dazu kommen, dass dies eine so gefestigte Gesellschaft ist, dass sie diese Frage angehen kann, dann werden wir es auch machen“

All die von Ihnen an gesprochenen Kriterien werden noch viel Zeit beanspruchen. Wie lange wird denn die internationale Gemeinschaft im Kosovo bleiben müssen?

„Ich glaube, dass es noch ein lange Zeit sein wird, in der wir den Kosovaren eine helfende Hand geben müssen Nicht in der selben Dimension vielleicht, auch nicht über Nacht verändert. Aber ich glaube, dass nachdem was dieses Gebiet ohne demokratische und eigenstaatliche Tradition erlebt hat, müssen wir in unserem eigenen Interesse darauf schauen, dass dies ein Gebiet ist, wo auch in Zukunft keine Gefahren entstehen. Die uns ja alle involvieren. Dieses sehr kleine Gebiet hat die ganze Welt in Atem gehalten. Und ich glaube, wir müssen das so behandeln, dass wir am Ende sagen können: Wir haben hier das richtige getan.“

Herr Steiner, wir danken für das Gespräch.

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