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Franziskaner im Kosovo

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Berichte Kosovo
Im Kosovo ist die katholische Kirche die Kirche einer Minderheit. Von den geschätzten 1,9 Millionen Bewohnern der Provinz sind nur etwa 60.000 katholisch, das entspricht etwa drei Prozent der Bevölkerung. Trotzdem haben die katholische Kirche und vor allem der Franziskaner Orden eine bedeutende geistige und kulturelle Rolle über Konfessionsgrenzen hinaus gespielt. Der Architekt des im 14. Jahrhundert erbauten Serb-isch-Orthodoxen Klosters von Decani war Franziskaner. Der aus dem Kosovo stammende Franziskaner, Stefan Gjecovi, war es auch, der zu Beginn dieses Jahrhunderts den „Kanuni i Leke Dukagjinit“ verfaßte, einen Kodex, der die Regeln für die Blutrache zum ersten Mal in schriftlicher Form festhielt. Damit sollte wenigsten rechtliche Klarheit geschaffen werden, wenn schon die Blutrache nicht zu beseitigen war. Im Westen des Kosovo, in Gjakove, serbisch Djakovica, besteht ein Kloster der Franziskaner. Pater Ulrich, der Leiter der Missionszen-trale der Franziskaner für Mittel- und Osteuropa, hat jüngst den Kosovo und auch dieses Kloster besucht. Unser Belgrader Korrespondent Christian Wehrschütz hat Pater Ulrich auf dieser Reise begleitet und den folgenden Bericht gestaltet:

Text:

18 Monate nach dem Ende des Kosovo-Krieges geht das Interesse an dieser Provinz deutlich zurück. Viele Nichtregierungsorga-nisationen kehren daher der Provinz den Rücken; nicht so die Franziskaner, die ihre Aktivitäten sogar verstärken werden. Konkret sind es zwei Projekte, die Pater Ulrich in den Kosovo geführt haben: die Errichtung einer sogenannten „Insel des Friedens“ in Pristina, ein Haus das den Dialog fördern soll, und der Bau einer Volkschule im Gemeindegebiet von Gjakove. Zum Hintergrund dieser Projekte sagte Pater Ulrich:

Zitat1: Pater Ulrich: „Wer hierher kommt, in den Westen des Kosovos in das Grenzgebiet zu Albanien, der sieht das die Dörfer dieser Umgebung schwer gelitten haben. Natürlich waren hier an der Grenze die Letzten Rückzugsposten der UCK, der Befreiungsorganisation, die Rache der Serben war entsprechend, sind ungefähr 200 Häuser im Umkreis niedergebrannt worden. Ich bin vor einer Hauswand gestanden wo man 9 Brüder einer Familie erschossen hat, an der Wand des eigenen Vaterhauses. Der jüngste Bruder war mit den Frauen und Kindern unterwegs Richtung Albanien, als er zurück kam fand er seine Brüder erschossen vor der eigenen Hauswand. Das war damals erschütternd, er hat um jedes Einschussloch herum einen Kreis gezogen, mit dem Namen dazugeschrieben des Bruders der davor lag. Man kann sich vorstellen wie schwer Versöhnung unter diesen Bedingungen ist und da wollen wir einen Schritt tun und wenigstens für die nächste Generation eine mögliche Versöhnung schaffen indem wir die Kinder lehren, dass man gemeinsam leben und leben gestallten kann.“

Unmittelbar vor Ort betreut wird der Bau der Volksschule von den drei Franziskanern des Klosters in Gjakove, in dem auch fünf geistliche Schwestern tätig sind. Ein Blick aus dem Fen-ster des Klosters auf die Überreste einer Kaserne zeigt, wie nahe der Kosovo-Krieg die Franziskaner nicht nur als Seelsor-ger, sondern auch räumlich betroffen hat. Der Guardian des Klosters, Pater Ambrosius, erzählt:

Zitat2: Pater Ambrosius:

„Hier sind die Überreste der Kaserne, die schwer bombardiert wurde. Ich erinnere mich, daß die NATO die Kaserne etwa 30 Mal angegriffen hat. Einige Bunker sind übrig geblieben, doch die meisten wurden zerstört. Diese Gebäude und diese Antenne wurden ebenso getroffen aber nicht völlig zerstört. Wegen der Nähe zur Kaserne wurden leider auch die Kirche und das Kloster ziemlich schwer beschädigt. Die Dächer mußten völlig erneuert werden, auch Wände und Türen. Als wir nach dem Abzug der Armee aus dem Kosovo ins Kloster zurückkamen, war das Kloster fast völlig geplündert. Es wurde nicht angezündet aber zerstört, wie zum Beispiel das Bad.“

Nach dem ersten Beschuß der Kaserne konfiszierten die Soldaten das Kloster, wohl im Vertrauen auf die Präzision der NATO, und die Mönche mußten weichen. Doch das ist Vergangenheit und nun geht es um die Heilung der Wunden. Dazu zählt auch der Bau der Volkschule im Dorf Vogovo an der albanischen Grenze, sechs Kilometer von Gjakove entfernt.(Atmo Geländewagen)Der Weg zur Schule ist selbst für einen Geländewagen mühsam, denn die so-genannte Straße besteht aus lauter Löchern. Als Pater Ulrich und seine Mitbrüder eintreffen, stehen die Außenarbeiten vor ihrem Abschluß.(Atmo Fließenschneiden und Verfugen)Die letzen Fließen für den Eingang werden zugeschnitten und das Portal wird verfugt. Etwa 2 Millionen Schilling hat der Bau bisher gekostet. Nach der geplanten Einweihung der Volksschule im Herbst, werden die Franziskaner jedoch nicht Schulerhalter sein, sonder, so Pater Ulrich,:

Zitat3: Pater Ulrich: „ Sondern wir haben das Gebäude der Schule zur Verfügung gestellt und wenn ich sage das Gebäude dann meine ich bis jetzt den Rohbau, wie man sieht. Die Fenster sind drinnen, er ist unter Dach, die Räume sind einmal geweißelt worden, die Einrichtung fehlt uns noch dafür müssen wir erst Spender finden die uns helfen, damit wir den Kindern auch eine eingerichtete Schule bieten können.“

Einen Beitrag dazu sollen auch die Gemeinden leisten. Auch die Lehrer werden von der Kosovo-Verwaltung bezahlt.(Atmo Ulrich prüft Bau)Ebenso genau wie Pater Ulrich den Baufortgang prüft, ist auch das Projekt geplant worden. Warum gerade hier diese Schule gebaut wird, erklärt Ulrich so:

Zitat4: Pater Ulrich: „ Die Durchfahrtsstraße nach Albanien geht hier vorbei und da passiert sehr viel, da wird alles gehandelt, angefangen von Baumaterial bis zu Lebensmittel bis hin zu Frauen, die Kinder hätten einen relativ langen Schulweg, 5,6 Meter und Vertreter der Gemeinde sind gekommen und haben gefragt könnt ihr uns nicht helfen dass wir keinen längere Schulweg haben als 2 Kilometer und man hat einen Ort gesucht, eine Parzelle, die die Gemeinde gestiftet hat. Und unsere erste Frage war natürlich wie viele Kinder gibt es, denn eine schule will jeder haben aber gibt es auch genügend Kinder.“

Kinder gibt es tatsächlich genug und etwa 240 werden die Schule ab Herbst besuchen. Speziell um Kinder kümmert sich auch der 31-jährige Pater Marijan, der in den umliegenden Dörfern von Gjakovo Religionsunterricht erteilt. Über seine Tätigkeit sagt Pater Marijan:

Zitat5: Pater Marijan

„Ich unterrichte in drei Dörfern und zumindestens 20 Schüler sind in jeder Klasse. Den Religionsunterricht besuchen Kinder im Alter von sieben bis 15 Jahren von der ersten bis zur achten Klasse der Grundschule. Es gibt auch Religionsunter-richt für ältere Schüler, aber der findet nur ein Mal im Monat statt. In unserer Pfarre in Gjakove haben wir etwa 1350 Kinder, die den Religionsunterricht besuchen.“

Die Hälfte der 60.000 Katholiken des Kosovo lebt im Gebiet von Gjakove, einer Stadt mit 150.000 Einwohnern. Die katholische Minderheit steht fest zu ihrem Glauben, ein Umstand, der sich auch beim Besuch der Heiligen Messe zeigt.(Atmo Musik Messe) Und so ist die Kirche gut gefüllt wenn Pater Ambrosius die Messe liest. Etwa 100 Gläubige sind versammelt, darunter auch viele Kinder, denn etwa 60 Prozent der Kosovaren sind jünger als 30 Jahre.

Um Aussöhnung geht es auch im zweiten Projekt, das die Fran-ziskaner im Kosovo verfolgen. In Pristina soll ein Haus er-worben und zu einer „Insel des Friedens“ gemacht werden. Das Haus soll dem Dialog aber auch der Unterstützung von Frauen dienen. Daher werden sich an diesem Projekt auch Nonnen der Eggenberger Schulschwestern beteiligen. Wegen dieses Projekts hat Ulrich auch das (Atmo Musik) Serbisch-Orthodoxe Kloster Decani besucht, das ein Franziskaner im 14. Jahrhundert erbaut hat. Das Kloster wird von italienischen KFOR-soldaten vor Van-dalenakten albanischer Extremisten geschützt. (Atmo Sava) Durch das Kloster geführt wird Ulrich von Vater Sava Janjic, der sich stets für eine Aussöhnung mit den Albanern einge-setzt hat. Vor der Klosterkirche fragt Ulrich nach dem Beitrag, den Franziskaner leisten können, um Dialog, Frieden und Aussöhnung in Gang zu bringen:

Zitat: Ulrich: “Do you think we could make a contribution to restart the dialog, trying to help to built peace and reconsiliation.”

Die Anwort von Vater Sava Janjic fällt ernüchternd aus:

Zitat7: Vater Sava Janjic:

„Das beste was Sie im Moment tun können, ist zu bezeugen, was hier wirklich geschieht. Wir brauchen den Dialog, doch um damit zu beginnen, brauchen wir Grundvoraussetzungen wie etwa die Bewegungsfreiheit. Wie kann ich einen Priester oder einen Imam in einer anderen Stadt treffen, wenn ich leicht getötet werden und mir niemand Sicherheit garantieren kann.“

Auch 18 Monate nach Kriegsende sitzen die Wunden im Kosovo eben noch tief; und so ist gerade die Aussage dieses Mönchs ein Beweis dafür, wie sinnvoll und notwendig die Projekte sind, die die Franziskaner im Kosovo begonnen haben.
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