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Vater Sava, Interview

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Berichte Kosovo
Das Kloster Decani zählt zu den bedeutendsten geistigen und kulturellen Zentren der Serbisch Orthodoxen Kirche im Kosovo. Erbaut in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter den beiden Nemaniden-Herrschern Stefan Decanski und Stefan Dusan, zählt das Kloster auch zu den herausragenden Monumenten der serbischen Geschichte. In diesem Kloster lebt Vater Sava Janjic, der sich stets für Aussöhnung und Verständigung zwischen Serben und Albanern im Kosovo eingesetzt hat. Sava Janjic zählt zu den intellektuell herausragenden Gestalten des serbischen Mönchtums nicht nur im Kosovo. Unser Belgrader Korrespondent Christian Wehrschütz hat jüngst das Kloster ecani besucht und mit Vater Sava Janjic das folgende Interview geführt:

Text:

Das Kloster Decani im Grenzgebiet des Kosovo zu Albanien liegt im italienischen Sektor der Friedenstruppe KFOR. Bereits der Weg dorthin zeigt drastisch die Lage auf, in der sich die Serbische Orthodoxie und die serbische Minderheit knapp zwei Jahre nach Kriegsende befindet. Einig hundert Meter vor dem Kloster steht ein italienischer Wachposten und unmittelbar vor den Kolstermauern parken italienische Panzer, die die Anlage vor albanischen Vandalenakten schützen. Zur Situation der Serbisch-Orthodoxen Kirche im Kosovo sagt Vater Sava Janjic:

„Unser Kloster ist völlig isoliert und alle Serben dieser Gegend mußten fliehen. Nach Kriegsende wurde ihr Eigentum völlig zerstört und geplündert. Viele unserer Kirchen wurden zerstört und auf unseren Friedhöfen wird täglich der Müll aus albanischen Städten und Dörfern abgeladen. Diskriminierung und Verfolgung sind massiv, so daß wir hier nicht bleiben könnten ohne Hilfe Gottes und der italienischen KFOR-Soldaten, die einige grundlegende Existenzbedingungen sicher stellen. Wir können das Kloster nicht frei verlassen und auch uns nicht frei bewegen.“

Erst Anfang Februar haben albanische Extremisten wieder eine serbische Kirche im Ort Gornij Livoc im Kosovo gesprengt; denn diese Extremisten sehen in der Orthodoxie das Symbol der Prä-senz des serbischen Volkes, die es zu vernichten gilt. So ver-urteilenswert diese Taten sind, darf doch nicht vergessen werden, daß serbische Truppen während des Kosovo-Krieges fast alle muslimischen Bibliotheken und Archive vernichtet haben. Nach Angaben der islamischen Gemeinschaft haben serbische Truppen mehr als 200 Moscheen und die Häuser von 300 Imamen zerstört. Die Erblast der Ära Milosevic und des Krieges wiegt somit schwer. Über die Rolle der Serbischen Orthodoxie während des Kosovo-Krieges und über deren Haltung zu Slobodan Milosevic sagt Vater Sava:

„Ich muß sagen daß Bischof Artemie von Beginn an klar gegen die gottlose, nationalistische Milosevic-Politik war. Denn wir sahen klar, daß diese Politik nicht nur für die anderen Natio-nalitäten, sondern auch für unser eigenes Volk schlecht war. Die Kirche unterstützte von Beginn an den demokratischen Wandel in Serbien, den Dialog mit den Albanern und trat für eine gewaltlose Lösung des Kosovo-Problems ein. Leider kam es zum Krieg, der viele unschuldige Opfer forderte. Die Kirche und speziell dieses Kloster tat viel, um die Nöte der Menschen zu lindern. Wir halfen nicht nur Serben, sondern auch Albanern und anderen Nationalitäten. In diesem Kloster schützen wir 200 Albaner, Frauen und Kinder in der Zeit der größten Verfolgung vor der Politik von Milosevic. Das zeigt, daß die Kirche auf der Seite der Menschlichkeit und des einfachen Mannes stand, der von seinem Heim vertrieben wurde.“

Doch diese klare Abkehr von der Politik von Slobodan Milosevic vollzog die Orthodoxe Kirche erst nach einigen Jahren und auch dann nicht in ihrer Gesamtheit. Denn einige Bischöfe hielten Milosevic bis zuletzt die Treue. Was den Kosovo betrifft, prä-sentierte sich die Kirche zunächst als Bastion des Serbentums; Milosevic und seine nationalistische Propaganda nützte die tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung der Serben und der Kirche im Kosovo, um Emotionen zu schüren. Dieses Bild prägte auch die Einstellung der albanischen Mehrheit; sie lehnte die Serbische Orthodoxie nicht aus religiösen Gründen, sondern als Symbol des Serbentums und der Unterdrückungspoli-tik von Milosevic zunehmend ab. Über die Zukunft der Kirche im Kosovo und über die Zukunft des Kosovo sagt Vater Sava Janjic im Kloster Decani:

„Das wichtigste ist, die Menschenrechte für alle zu gewährlei-sten, die hier leben und zwar ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Sicher gestellt werden müssen das grundlegende Funktionieren des Rechtssystems, der menschlichen Sicherheit und vor allem auch die Unversehrtheit der Kirchen, Moscheen und Klöster. Dann könnte es zu einer endgültigen Lösung des Kosovo-Problems kommen, die in der Integration in Europa, nicht aber in der Schaffung neuer Bananen-Republiken liegt. Aber zuerst muß der demokratische Staat wieder aufge-baut werden, oder eine Union, eine Föderation oder ein Staatenbund; was immer es sein wird, ich weiß es nicht; doch alle Bürger müssen gleichberechtigt sein, und der Staat darf nicht das Monopol einer ethnischen Gruppe sein. Die Kirchen sollen sich in diesem Staat nur ihrer spirituellen Aufgaben widmen und nicht zu tagespolitischen Zwecken mißbraucht werden.“

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