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Polizei im Kosovo und in Mazedonien

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Vor etwas mehr als drei Jahren begann der Kosovo-Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Das Bombardement endete nach 78 Tagen mit dem Abzug der jugoslawischen Streitkräfte, der serbischen Polizei und mit einer Massenflucht vieler serbischer Einwohner. Als NATO, UNO, EU und OSZE in die Provinz einzogen herrschte das Chaos. Drei Jahre später ist die Lage im Kosovo noch immer unbefriedigend. Eine Rückkehr der vertriebenen Serben ist kaum zu verzeichnen, Schmuggel und Organisierte Kriminalität sind noch immer hoch. Hinzu kommt, daß im vergangenen Jahr bei den bürgerkriegsähnlichen Gefechten zwischen Mazedoniern und Albanern im Raum Tetovo auch bewaffnete Gruppierungen aus dem Kosovo eine Rolle spielten. Recht und Ordnung im Kosovo aber auch im Krisengebiet in Mazedonien wieder herzustellen ist eine der Hauptaufgaben der UNMIK-Polizei im Kosovo sowie der multi-ethnischen Polizei in Mazedonien, die von der OSZE ausgebildet und betreut wird. Unser Balkan-Korrepsondent Christian Wehrschütz hat Polizisten in beiden Regionen besucht und folgenden Bericht über die Lage im Kosovo und in Mazedonien gestaltet:

Die schrittweise Einkehr von Recht und Ordnung in den Kosovo läßt sich am besten am Beispiel des Straßenverkehrs ermessen. Autos ohne Nummerntafeln sind praktisch ver-schwunden und albanische Fahrer machen ihren österreichischen Beifahrer immer wieder auf die Gurtenpflicht aufmerksam, sollte der Sicherheitsgurt nicht von selbst sofort angelegt werden. In Ortschaften liegt das Tempolimit bei 35 Kilometern pro Stunde, auf Freiland-straßen herrscht Tempo 100. Wer die bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen um 20 Kilometer pro Stunde überschreitet, muß 25 Euro Strafe zahlen. Zur Bedeutung der Straßen-verkehrsordnung und zu deren Durchsetzung im Kosovo sagt der Sprecher der UNMIK-Polizei Derek Chappell in der Provinzhauptstadt Pristina:

Wir haben eine sehr strikte Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung. Denn im Gegensatz zu dem, was viele denken, ist das Autofahren die gefährlichste Tätigkeit im Kosovo. Nach dem Bombardement hatten viele Zugang zu gestohlenen Autos, die in den Kosovo gebracht wurden, viele waren sehr PS-stark: BMW, Mercedes VW-GTI, die Leute hatten keinen Führerschein; die Zahl der Verkehrstoten war absolut astronomisch hoch, wahrscheinlich viel höher als in irgendeinem europäischen Land. Die Leute fuhren ohne Rücksicht auf das Gesetz. Daher war die Einführung eines Ordnungsbewußtseins auf den Straßen sehr wichtig für die Herstellung von Ordnung in der gesamten Provinz des Kosovo. Wir haben Radarpistolen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Radarfallen, Tempolimits in den Dörfern und sie werden rigoros durchgesetzt.

Gestiegen ist auch die Zahl der angezeigten Verkehrsdelikte. So stieg diese Zahl etwa in der 180.000 Einwohner zählenden Stadt Prizren von 164 im Jahre 2000 auf 1660 im vergangenen Jahr. Gesunken ist im gleichen Zeitraum auch die Zahl der schweren Verbrechen im Kosovo. Die Zahl der Mordversuche ging von 275 auf 225, die Zahl der Entführungen von 190 auf 165 zurück. Das ist auch ein Zeichen dafür, daß die tagtägliche Polizeiarbeit zunehmend greift und auch das Vertrauen der Albaner in die Polizei steigt. Diese positive Tendenz war 1999 noch nicht absehbar, wie Derek Chappell am Beispiel der Mordfälle erläutert:

Als wir 1999 hierher kamen gab es mehr als 20 Morde pro Woche Die Rate für schwere Verbrechen war extrem hoch. Doch wir hatten es mit einer Nachkriegsgesellschaft zu tun, die Bombardierung war gerade erst zuende, zuvor gab es noch einen Guerillakrieg, Repressalien, viel Haß; gleich nachdem die NATO kam gab es viele Morde als Vergeltung die mit dem Krieg und den Ereignissen davor zu tun hatten. Im Jahr 2000 hatten wir 245 Morde, im Jahr 2001 viel die Zahl auf 112 und in diesem Jahr könnte die Zahl der Morde auf unter 100 sinken. Mit anderen Worten: binnen drei Jahren haben wir die Morde von 245 auf weniger als 100 gesenkt.

Trotzdem hat die etwa 4500 Mann starke internationale Polizeitruppe im Kosovo noch viele Probleme zu bewältigen. Zu ihren Aufgaben zählt auch die Ausbildung der albanischen Polizisten sowie der Polizisten nationaler Minderheiten, die im Kosovo Dienst tun. Die Grundausbildung dauert neun Wochen, doch geht viel Zeit natürlich auch durch das Dolemtschen verloren, denn die internationalen Ausbilder sprechen nicht Albanisch. Die weitere Ausbildung der Polizisten erfolgt dann auf den Stationen selbst. Ein einheimischer Polizist verdient etwa 200 Euro im Monat; ob das seine einzige Einnahmequelle ist, bleibt offen; die Autos, mit der manche Albaner jedenfalls zum Dienst erscheinen, lassen anderes vermuten. Obwohl natürlich auch Korruption in den Reihen der mehr als 4.000 heimischen Kosovo-Polizisten nicht auszuschließen ist, läßt sich die beachtliche Aufbauleistung nur ermessen, wenn man sich die Lage vor drei Jahren in Erinnerung ruft. UNMIK-Polizeisprecher Derek Chappell sagt dazu:

Es gab hier keine Polizeiarbeit; die Bevölkerung hatte niemanden, dem sie ein gestohlenes Auto, einen Angriff oder eine vermißte Person hätte melden können. Als die erste internationale Polizei hier im Sommer 1999 ankam fanden wir das absolute Chaos vor. Es gab kein Rechtssystem, keine funktionierenden Gerichte und Gefängnisse, keine Polizei, die Städte waren entweder zerstört oder voll mit Flüchtlingen. Häuser waren von fremden Bewohnern besetzt, Personen wurden aus Vergeltung getötet; es war eine Lage nahe der Anarchie

Zum damaligen Zustand der Polizeistationen sagt Chappell:

Die Polizeistationen waren weitgehend geplündert oder zerstört; es gab keine intakte Ausrüstung, nicht ein Mal Telefon oder Funk. Die ersten Fahrzeuge mußten aus Bosnien hierher gebracht werden. Die ersten Polizisten mußten die Stationen reinigen und herrichten, um sie verwenden zu können. Die Stationen mußten auf Sprengfallen oder Munition überprüft werden, die die jugoslawische Armee zurückgelassen hatte. Es gab überhaupt keine Akten. Man mußte eine Polizei aufbauen ohne Informationen, ohne Berichte über Kriminalität ohne Angaben über Autoregistrierungen. Die Leute fuhren in gestohlenen Autos, ohne Nummern-tafeln ohne Führerschein, ohne Versicherung. Alles mußte von Null weg aufgebaut werden.

Von Ende 1999 bis Mitte 2000 stabilisierte sich die Lage. In allen Gebieten des Kosovo übergab das Militär die Aufgaben an die Polizei. Nicht einfacher geworden ist seit dieser Zeit jedoch die Rechtspflege. Denn Polizisten und Richter haben UNO-Bestimmungen, jugosla-wisches, serbisches und kosovarisches Recht ebenso anzuwenden wie Völkerrecht. Nach wie vor besonders geschützt werden müssen die internationalen Richter. Ihre Leibwächter stellt ebenfalls die internationale Polizeitruppe. Von ihr geschützt wird auch die Österreicherin Renate Winter, die als Richterin am Obersten Gerichtshof in Pristina arbeitet. Auf die Frage, ob sie bereits Todesdrohungen erhalten hat, sagt Winter:

Der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zählt auch noch zu den ungelösten Aufgaben der internationalen Kosovo-Polizei. Schmuggel, Drogen- und Menschenhandel gilt es vor allem in den Grenzregionen zu Montenegro, Albanien und Mazedonien gemeinsam mit der Friedenstruppe KFOR zu bekämpfen. Zu den Schwierigkeiten zählt in diesen Zusammen-hang UNMIK-Polizeisprecher Derek Chappell:

„Das Problem ist, daß wir zwischen den Grenzübergängen eine sehr gebirgige Gegend haben. Viele dieser Gebiete sind noch immer vermint und in einige sind noch immer schwer bewaffnete Gruppierungen aktiv. In der Vergangenheit haben wir versucht den Schmuggel in der Region von Peia verstärkt zu bekämpfen. Wir wurden mit Gewehren beschossen oder wir bekamen Drohungen von Gruppen, die Zugang zu schweren militärischen Waffen haben.“

Mit diesem Problem zu kämpfen hat auch die multiethnische Polizei in Mazedonien, die von der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ausgebildet wird. Albanische und mazedonische Polizisten fahren begleitet von OSZE-Polizisten durch Dörfer im Grenz- und Krisengebiet und zeigen vor allem Präsenz. Mit Amtshandlungen ist man vor-erst noch zurückhaltend, denn der Aufbau von Vertrauen braucht ebenso Zeit wie die Rück-kehr von Recht und Ordnung. Besucht werden auch völlig verlassene oder geplünderte Dörfer. Zum Sinn derartiger Patrouillen sagt die dänische Polizistin Anne Marie Pedersen

„Wir kommen hierher, damit jene, die gewöhnlich im Dorf waren oder hierher kommen, Vertrauen haben können, daß es hier sicher ist und Leute zurückkehren könnten. Nicht, daß wir für 24 Stunden hier wären, aber die Polizei zeigt während des Tages Präsenz.“

Im Raum Tetovo ist die gemischte Polizei bisher in etwa 40 Dörfer zurückgekehrt. Im OSZE-Polizeibüro in Tetovo werden die Einsätze koordiniert. Büroleiter ist Aytekin Aktas, ein türkischer Polizeioffizier. Aktas gibt an, daß die Polizei vor allem in viele jener Dörfer noch nicht zurückkehren konnte, die starke Bastionen albanischer Freischärler waren, denn das Mißtrauen ist noch immer sehr ausgeprägt, obwohl das bereits verabschiedete Amnestie-gesetz die Lage entspannt hat. Doch Aytekin Aktas nennt noch einen anderen Grund:

„Nach dem Konflikt sind einige kriminelle Gruppen entstanden. Einige machen Probleme bei der Rückkehr der Polizei; denn für diese Gruppen ist ein Gebiet ohne Polizeikontrollen ein Paradies.“

Die zentrale Institution im Kampf gegen dieses Paradies ist die multiethnische Polizeiaka-demie in der Nähe von Skopje. Hier erfolgt auch die Körperausbildung der Rekruten. Die große Mehrheit der Polizeischüler sind Albaner, andere Minderheiten und Mazedonier stellen weniger als die Hälfte der Rekruten. 15 Prozent des Polizeischüler müssen Frauen sein, vor allem um deren Position unter den Albanern zu stärken. Bis Juli sollen 500 Polizisten ausgebildet werden, die im mazedonischen Krisengebiet eingesetzt werden. Der Unterricht umfaßt die normale Polizeiausbildung. Doch wird auf Polizeiethik und Rechtskunde besonderen Wert gelegt. Craig Jenness, der Leiter der OSZE-Mission in Mazedonien sagt zu Ausbildung und Polizeireform:

„Die Richtung, die das Land gehen muß, ist in Richtung „Bürger-Polizei“; mit anderen Worten, die Polizei steht im Dienste der Bürger, hat für sie zu arbeiten und nicht Streitmacht zu sein, die in militärischer Art und Weise handelt.“

Bis dahin ist der Weg noch weit. Denn die alten kommunistischen Traditionen sind ebenso schwer zu bekämpfen wie Mißtrauen und Organisierte Kriminalität im Kosovo und in Mazedonien, wo die Polizei bisher noch nicht in alle Dörfer der Krisenregion zurückkehren konnte.
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