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Vor erstem Referendum in der Geschichte Bulgariens

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Berichte Bulgarien
In Bulgarien findet morgen die erste Volksabstimmung in der Geschichte des Landes statt. Zu entscheiden haben die Bulgaren über den weiteren Ausbau der Atomkraft. Nach Umfragen ist eine klare Mehrheit für den Ausbau, doch ist es sehr fraglich, ob die Beteiligung hoch genug ist, damit die Volksabstimmung auch gültig ist. Diese Frage ist sehr wichtig, weil bei ausreichender Teilnahme der Standort Belene zum Zuge kommen müsste. Während Experten Belene für nicht finanzierbar halten, hofft die Kleinstadt an der Donau im Norden Bulgariens praktisch geschlossen auf den Bau, dessen Ursprünge in die kommunistische Zeit zurückreichen. Denn nach dem Fall des Kommunismus vor mehr als 20 Jahren brachen viele Betriebe zusammen, und so ist fast jeder Dritte der 10.000 Bürger arbeitslos. Daher zählen in Belene keine Sicherheitsbedenken, praktisch alle Bewohner sind für das Kraftwerk.

Unter den Parteien ist vor allem die Frage umstritten, wo die Kernkraft ausgebaut werden soll; als Option gilt ein weiterer Reaktorblock AKW Kosloduj. Für Belene ist als einzige relevante Kraft die oppositionelle sozialistische Partei. Sie lehnt einen Ausbau von Kosloduj ab, weil für Belene alle Genehmigungsverfahren abgeschlossen seien und bereits viel Geld in diesen Standort investiert worden sei. Gegen Belene ist die konservative Regierung, die von der Partei GERB geführt wird. Ministerpräsident Bojko Borissow hält das Projekt für unfinanzierbar, denn seine Fertigstellung würde 11 Milliarden Euro kosten und damit das Land in den Bankrott treiben. Borissow sieht in Belene ein Fass ohne Boden, das er von der sozialistischen Regierung geerbt habe, und in das kein Geld mehr geschüttet werden dürfe. Auch ein russischer Reaktor sei zu zwei Drittel bezahlt. Dieser solle in Kosloduj zum Einsatz kommen. GERB argumentiert auch, dass Strom aus Belene viel teurer wäre als aus Kosloduj, das bestreiten die Sozialisten. Sie stehen der Atomenergie weit weniger skeptisch gegenüber als die Partei GERB, die auf die Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima verweist. Doch auch GERB sieht kurzfristig keine Alternative zur Atomkraft, die mehr als 30 Prozent des Stroms in Bulgarien produziert. Ziel sei jedoch ein Diversifizierung und eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

Damit das Referendum morgen gültig ist müssen ebenso viele Bulgaren teilnehmen wie bei der vergangenen Parlamentswahl; im Jahre 2009 waren das 4,3 Millionen; fraglich ist, ob diese Zahl am Sonntag erreicht wird. Wird sie verfehlt, gehen aber mehr als 20 Prozent zur Abstimmung, hat das Parlament das letzte Wort bei der Wahl des Standorts; daher hat die Kleinstadt Belene derzeit kaum Chancen, ihr ersehntes AKW zu bekommen.

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