BOsnien als Brennpunkt auf der Balkanroute
Bosnien und Herzegowina wird immer zu einem Hotspot für Migranten auf der Balkan-Route. Im Juni hielten sich mehr als 10.500 Migranten aus Afghanistan, Pakistan, aus Nordafrika, Syrien und anderen Ländern in dem Balkanstaat auf; nur 160 haben einen Asylantrag gestellt. 80 Prozent der Migranten entfallen auf die Region um die Stadt Bihac, 15 Prozent auf die Stadt Velika Kladusa, direkt an der Grenze zu Kroatien. Die steigenden Zahlen registriert auch das nördliche Nachbarland Kroatien; die Aufgriffe haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina
Insert1: Suchret Faslic, Bürgermeister von Bihac
Insert2: Salam Icic, Rotes Kreuz in Bihac
Insert3: Suchret Faslic, Bürgermeister von Bihac
Insert4: Gilio Toic-Sintic, Kroatische Grenzpolizei
Insert5: Gilio Toic-Sintic, Kroatische Grenzpolizei
Insert6: Gilio Toic-Sintic, Kroatische Grenzpolizei
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Die Region um die etwa 60.000 Einwohner zählende Stadt Bihac im Grenzgebiet zu Kroatien wird immer mehr zum Brennpunkt für Migranten in Bosnien und Herzegowina. Von seiner eigenen Regierung und der EU fühlt sich der Bürgermeister allein gelassen:
„Im Vorjahr stand in spanischen Gewässern ein Hilfsschiff mit 150 Migranten. Ganz Europa hat 15 Tage darüber gestritten, was mit diesen Migranten zu geschehen und wo sie untergebracht werden sollen. Zu uns kommen aus allen Landesteilen und aus Kroatien täglich 150 Migranten; und wir als Stadt mit etwa 60.000 Einwohnern müssen damit fertigwerden.“
Die Bedingungen im Lager Vucijak bei Bihac sind schlecht. Krätze ist ein Problem, Medikamente dagegen werden verteilt, doch es fehlt an Personal, erkrankte Personen unter Quarantäne zu halten. Es fehlt an Toiletten, Duschen und Ärzten; das Rote Kreuz ist bemüht, die Bedingungen so rasch wie möglich zu verbessern:
„Wir bereiten hier sanitäre Container vor, damit sie nicht in den Wald gehen müssen. Wir werden hier auch Duschen aufstellen, damit sich die Migranten jeden Tag waschen und auch ihre Kleidung wechseln können. Jedes Zelt bekommt auch Kunststoffmatten als Unterlagen, zwei Decken, neue Kleidung und Toiletteartikel.“
Kritik gibt es auch an der Lage des Camps; in der Nähe sollen noch Minen aus dem Bosnien-Krieg liegen. Diese Kritik weist der Bürgermeister zurück:
„Das ist eine Heuchelei; möglich ist, dass es in der Umgebung von Vucijak ein Minenfeld gibt, doch wo immer man sich in Bosnien bewegt, besteht diese Möglichkeit. Auch bei uns in Bihac herrschte Krieg, viele Minen wurden verlegt. Dagegen wurde nichts unternommen, das hat bisher niemanden gestört, und jetzt beschwert man sich, dass es möglicherweise Minenfelder in der Nähe des Lagers gibt.“
Ganz anders ist die Lage in Sedra, das ebenfalls in der Region von Bihac liegt. In dem früheren Hotel sind nur Frauen mit Kindern und Jugendliche untergebracht. In Sedra gibt es auch keine Probleme mit medizinischer Versorgung. Hier finanzieren EU und die Internationale Organisation für Migration den Betrieb. Die IOM betreibt auch dieses Lager in Velika Kladusa, eine Stadt die direkt an der Grenze zu Kroatien liegt. Untergebracht sind hier Migranten, die allein unterwegs sind. Eine eigene Wäscherei sorgt regelmäßig für saubere Kleidung, Verpflegung gibt es drei Mal pro Tag. Teilweise haben Migranten schon mehrfach versucht, nach Kroatien zu kommen. Migranten beschuldigen die kroatische Polizei, bei Aufgriffen misshandelt worden zu sein:
„In der kroatischen Grenzpolizei wird Gewalt gegenüber Migranten nicht geduldet, da herrscht NULL-Toleranz. Jeder Fall, bei dem es angeblich zu einem gesetzwidrigen Verhalten von Grenzpolizisten gegenüber Migranten gekommen ist, wird untersucht. Doch bisher hat sich kein einziger behaupteter Fall, der auch durch Medien ging, bestätigt. Doch ich betone noch einmal, da gibt es NULL-Toleranz bei der Grenzpolizei.“
Nimmt die Migration auf der Balkanroute wieder zu?
„Heuer haben wir bisher 7.200 illegale Migranten registriert; in den ersten sechs Monaten des Vorjahres waren es etwa 3.000. Das ist eine Zunahme von fast 150 Prozent. Die meisten Migranten kommen aus Afghanistan, Algerien, Pakistan, der Türkei und Syrien. Hinzu kommen Marokko, Bangladesch und Albanien. Mehr als 90 Prozent sind Männer im Alter 20 bis 25 Jahren.“
Die grüne Grenze zwischen Bosnien und Kroatien ist bei Velika Kladusa leicht zu Fuß passierbar. Bosnische Grenzpolizisten führen ins an eine Stelle im Wald, in der regelmäßig Übertritte versucht werden. Von Bosnien nach Kroatien bedarf es hier oft nur eines Schrittes. Überwacht wird die grüne von der kroatischen Grenzpolizei durch Patrouillen, Drohnen und Nachtsichtgeräte; die Kroaten sind weit besser ausgestattet als ihre Kollegen in Bosnien. D och kein Polizeieinsatz kann die Ursachen der Migration beseitigen.