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Frauenschicksale des Krieges

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Berichte Bosnien

Während des Krieges in Bosnien und Herzegowina wurden nach Angaben des Haager Tribunals mindestens 20.000 bosniakische Frauen durch Serben und Kroaten vergewaltigt. Seit mehr als zehn Jahren haben diese Frauen nun die Möglichkeit, den Status eines Kriegsopfers zu bekommen. Tatsächlich bekommen haben diesen Status bisher nur 800 Frauen, die damit auch eine Art Kriegsopferrente von 250 Euro im Monat erhalten. Noch völlig ungeregelt ist aber der Status der Kinder, die als Resultat dieser Vergewaltigungen geboren wurden. In Sarajewo befasste sich jüngst eine international besetzte Konferenz mit dem Schicksal dieser Kinder des Krieges. Zum ersten Mal gemeinsam an die Öffentlichkeit gemeinsam gegangen sind eine Mutter und ihre Tochter, die unser Korrespondent Christian Wehrschütz interviewen konnte. Das Gesicht der Mutter wurde dabei auf Wunsch der Tochter unkenntlich gemacht:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina

Insert1: Sabina, Mutter und Opfer des Krieges

Insert2: Sabina, Mutter und Opfer des Krieges

Insert3: Ajna, Tochter und Psychologiestudentin

Insert4: Ajna, Tochter und Psychologiestudentin

Gesamtlänge: 2’38

In Sarajewo sind kaum noch Spuren von den schrecklichen Jahren des Krieges zu sehen. Dieses Denkmal trägt die Namen von 521 Kindern, die in der Stadt getötet wurden. Andererseits werden etwa Frauen, die im Krieg vergewaltigt wurden, wohl ihr ganzes Leben unter diesem Trauma leiden. Dazu zählt die nun 47-jährige Sabina; sie gebar ihre Tochter, weil es für eine Abtreibung zu spät war; der Weg zu einer Beziehung war ein steiniger:

"Mit Muttergefühlen wird man nicht geboren; doch je mehr Zeit verging, desto öfter fragte ich mich, warum soll sie den schuld sein. Dann habe ich den vielleicht egoistischsten Entschluss meines Lebens gefasst, den ich noch heute im innersten meiner Seele bereue. Ich war so egoistisch, dass ich sie behalten haben. Ich habe mich als Mutter verwirklicht, doch ich habe ihr eine derartige Last auf die Schulter geladen. Ich liebe sie nicht als Kind; sie ist aber völlig mein, doch es gab Momente, da konnte ich sie nicht anschauen und nicht ertragen."

Sabina fürchtet, dass ihre Tochter zu keinem normalen Leben finden wird:

"Sie lebt ihr ganzes Leben für mich und lebt nicht ihr Leben; sie lebt mein Leben, um mir zu helfen, um für mich etwas zu tun, anstatt dass ich für mein Kind etwas tue. "

Die 24jährige Ajna erfuhr mit 14 durch Zufall vom Schicksal ihrer Mutter

"Zunächst hatte ich Angst, dass mich meine Mutter hasst, weil ich sie an etwas Schlechtes erinnere. Doch als wir uns gemeinsam mit Psychologen damit konfrontiert haben, und in den vielen jahrelangen Gesprächen habe ich verstanden, dass mich meine Mutter nicht hasst und mich angenommen hat. All das war die Basis, dass ich heute dort bin, wo ich bin; sonst würde ich wohl in einer Art Agonie leben, und glauben, dass für mich die Welt vorbei ist."

In Sarajewo befasste sich jüngst eine Konferenz mit dem Schicksal dieser Kinder des Krieges. Auch Ajna und ihre Mutter nahmen daran; Ajna ist in einer neuen Organisation aktiv, die um Anerkennung dieser Kinder kämpft:

"Wir wollen sichtbar werden in unserer Gesellschaft; für sie bestehen wir nicht, und auch unser rechtlicher Status ist ungeregelt. Wir sind ein Phänomen, das nicht berührt wird, über das man nicht spricht."

Massenvergewaltigungen gab es vor Bosnien und auch danach. Das von der EU geförderte Forschungsprojekt der Universität Leipzig befasst sich mit vielen Kriegsschauplätzen, auch mit dem Ziel auf das Schicksal der Frauen und Kinder aufmerksam zu machen, die eine derartige Hölle erleben mussten und müssen.  

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