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Vor dem Urteil gegen Mladic in Den Haag

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Berichte Bosnien
Das Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien verkündet in einer Stunde eines seiner wichtigsten Urteile, das gegen den ehemaligen General der bosnischen Serben, Ratko Mladic. Dem nun 75-jährigen Mladic werden Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Last gelegt; dazu zählen der Terror gegen die Bevölkerung des belagerten Sarajewo sowie das Massaker von Srebrenica, das monströseste Verbrechen der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien; 7.500 Männer wurden nach der Eroberung der UNO-Schutzzone durch die Truppen von Ratko Mladic ermordet, wobei das Massaker unter den Augen der niederländischen UNO-Truppe begann. Nach dem Krieg lebte Mladic in Belgrad, im Jahre 2000 tauchte er unter; erst 2011 wurde er in einem Dorf in Serbien verhaftet; der Prozess begann im Mai 2012 und dauerte bis Dezember 2016, die Ausfertigung des Urteils dann noch mehrere Monate. Selbst wenn Mladic dagegen berufen sollte, so geht doch die Ära des Haager Tribunals zu Ende; doch die Folgen von Mladics Handlungen, das Leid, das er über so viele Menschen gebracht hat, dauert an, berichtet aus Srebrenica unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:  

Das Schrecklichste, das Eltern wohl passieren kann, ist, ihren Kindern ins Grab nachschauen zu müssen! Widerfahren ist dieses Schicksal der heute 81-jährigen Schuhra Malic, die nun allein in ihrem Haus in der Nähe von Srebrenica lebt. Durch das Massaker im Juli 1995 verlor sie zehn Verwandte, darunter zwei Söhne, die damals 34 und 36 Jahre alt waren. Die kleine korpulente Frau geht auf Krücken, Verwandte helfen ihr, ihre Tochter, die in Schweden lebt, unterstützt die Mutter finanziell, denn die Pension beträgt nur 160 Euro. Schuhra Malic hofft, dass Ratko Mladic in Den Haag lebenslänglich bekommt, schränkt aber:  

"Das bedeutet mir nichts; unsere Kinder gibt es nicht mehr, erst nach 15 Jahren wurden ihre Überreste gefunden, eine Handvoll Knochen - doch was waren das für feine Burschen! Noch immer kann ich nicht schlafen, wenn ich zurückdenke. Doch die in Den Haag leben noch, essen, trinken, schauen fern, lesen Zeitungen; 1000 Jahre müssten sie in Den Haag sein."

Wird sie jemals Frieden finden? Schuhra Malic:

"Uns Müttern werden diese Wunden nie heilen, die Medizin dafür gibt es nicht. Doch Gott sei Dank habe ich noch drei Kinder, Enkel und Urenkel. Doch was ist mit den Müttern, die alle Kinder verloren haben?"

Nach dem Massaker waren die Mörder bestrebt, ihre Untaten zu verbergen. Doch im Laufe der Zeit wurden viele Massengräber entdeckt und die DNS-Analyse ermöglicht eine Identifizierung der Opfer. Das buchstäbliche Zusammensetzen der Opfer erfolgt in der Stadt Tuzla. In einer Kühlhalle lagern derzeit 500 Säcke mit sterblichen Überresten, die forensische Anthropologen wie Dragana Vucetic aufarbeiten:

"Alles in allem haben wir hier 7000 bis 8000 Überreste; dazu zählen Knochen aber auch Gegenstände, die bei den Opfern gefunden wurden. Kleidungsreste haben wir vielleicht 3.000 Stück, und noch etwa 4.000 Teile von Skeletten; dazu zählen sehr viele kleine Knochen, bis zu 3.500, die nicht identifiziert sind. Doch wir haben in dieser Leichenhalle 500 Fälle an denen wir arbeiten; von diesen 500 Säcken haben wir 60 Opfer identifiziert; einige von ihnen werden im Juli in der Srebrenica-Gedenkstätte in Potocari beigesetzt werden."

Warum diese Arbeit so mühevoll ist erläutert die 38-jährige Dragana Vucetic so:

"Die Mehrheit der Opfer von Srebrenica wurden von ihrem ersten Massengrab in sekundäre oder tertiäre Massengräber transportiert. Daher finden wir oft keine vollständigen Skelette, sondern nur Teile; daher müssen wir auf der Basis von DNS-Treffern diese Teile zusammensetzen: das erinnert oft an ein Puzzle, denn den Schläfenknochen finden wir an einem Ort, die Fußknochen an einen zweiten und die Armknochen an einem dritten Ort und so weiter."  

6.700 Oper von Srebrenica wurden in Tuzla bisher identifiziert; Dragana Vucetic schätzt, dass noch bis zu 800 Opfer vermisst sind; doch seit drei, vier Jahren wurden keine größeren Massengräber mehr gefunden; daher bleibt offen, wie lange Hinterbliebene noch drauf warten müssen, bis sie wenigsten die Überreste ihre Söhne und Männer werden beerdigen können.
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