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Lage in Bosnien am Beispiel von Derventa

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Berichte Bosnien
Im serbischen Teilstaat von Bosnien und Herzegowina, der Republika Srpska, stimmten gestern 99 Prozent dafür, dass der 9. Jänner der Feiertag dieses Teilstaates bleibt. Die Stimmbeteiligung lag bei nur 55 Prozent. Den Feiertag hat der Verfassungsgerichtshof in Sarajewo als diskriminierend für die bosniakischen und kroatischen Bewohner des serbischen Landesteils bewertet und daher eine Änderung verlangt. Daraufhin setzte die Führung der bosnischen Serben die Volksabstimmung an; nun soll der 9. Jänner bleiben, aber nur mehr ein freiwilliger Feiertag sein. Die Serben wollen vermeiden, den Friedensvertrag von Dayton zu verletzten, der auch den Bestand der Republika Srpska garantiert. Während sich in Bosnien und Herzegowina nationalistische Politiker aller drei Volksgruppen vor Wahlen immer wieder die Bälle zu spielen, um von lebenswichtigen Problemen abzulenken, ist die Lage im Land doch besser als es der Krieg der Worte um das Referendum vermuten ließe. Bosnien kann im kommenden Jahre mit dem Status eines EU-Beitrittskandidaten rechnen; Wiederaufbau und Wirtschaft machen Fortschritte, obwohl die Arbeitslosigkeit noch immer ein großes Problem ist, und viele junge Menschen ihrer Heimat den Rücken kehren wollen. Das gilt auch für Menschen, die nach dem Krieg zurückgekehrt sind, denn wirkliche Erfolgsgeschichten von Rückkehrern sind selten:   



Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina



Insert1: Semira Bajric, Bewohnerin von Bosnaski Dubocac



Insert2: Amar Bajric (20), Semiras ältester Sohn



Insert3: Bojko Gataric, Unternehmer in der Stadt Derventa



Insert4: Bernhard Urch: Geschäftsführer der Firma Anton Paar in Derventa



Gesamtlänge: 3’03



„Aller Anfang ist schwer“ – diese Erfahrung machte auch die Familie Bajric, die vor 15 Jahren aus Deutschland nach Bosanski Dubocac zurückkehren musste, das der Krieg schwer getroffen hatte. Starthilfe leisteten auch österreichische Hilfsorganisationen, die Häuser wieder aufbauten. Nun gab es ein Wiedersehen; die Kinder sind groß, der dritte Sohn sechs Jahre alt, und der Vater arbeitet wieder in Deutschland; die Mutter hat sich ihre positive Lebenseinstellung bewahrt:



"Ich war so optimistisch früher, jetzt bin ich es auch, dass es mit der Zeit noch besser wird, deshalb bin ich hier geblieben."



Beide Söhne arbeiten nebenbei in einem deutschen Callcenter in der neun Kilometer entfernten Stadt Derventa für 300 Euro im Monat. Ihr Ziel heißt Deutschland:



"Ich mag Bosnien, aber du kannst hier nicht gut leben; Du kannst nicht gutes Geld verdienen, deswegen gehen wir alle nach Deutschland."



Im Dorf ist die Hälfte der Häuser leer; ihre Bewohner arbeiten im Ausland und kehren nur in den Ferien zurück. So romantisch der Sonnenuntergang an der Save ist; genutzt wird der Fluss kaum, der Bosnien von Kroatien trennt.



Ganz anders ist die Lebensgeschichte von Bojko Gataric; das Kind einer Gastarbeiterfamilie wuchs in Salzburg auf, baute aber bereits 1993 einen Handel mit Büromaterialien in Derventa auf. In seine Heimatstadt kehrte er vor 16 Jahren zurück. Seine Firma zählt zu den größten Händlern im ehemaligen Jugoslawien. Eigenmarken produziert er ebenfalls - und zwar wie die meisten Hersteller in China:  



"Wir arbeiten jetzt mit etwa 75 chinesischen Firmen zusammen, die die ganze Ware herstellen; das bringen wir unter allen EU-Normen zu uns, und von dieser Ware verkaufen wir dann in neun Ländern in der EU und im ganzen ehemaligen Jugoslawien."



Gataric half Firmen aus Österreich in Derventa Fuß zu fassen. Teile für Meßgeräte produziert hier der Weltmarktführer für Dichtemessungen von Flüssigkeiten aus Graz, das nur vier Autostunden entfernt ist. Die Arbeitskräfte sind fleißig und viel billiger; nicht zufrieden ist man mit dem Bildungssystem:  



"Der Ausbildungsstand von diesen Schulen her ist eine Katastrophe. Das ist in etwa 40 bis 50 Jahre vor unserer Zeit, wie wir das verstehen."



Trotzdem ist Derventa die Stadt mit der niedrigsten Arbeitslosenrate in ganz Bosnien. Die Stadtverwaltung bemüht sich, auch um ein gutes Zusammenleben zwischen Kroaten, Bosniaken und Serben, die nun die große Mehrheit bilden. Sie stimmten gestern bei einem Referendum dafür, dass der 9. Jänner der Gründungstag des serbischen Teilstaates von Bosnien bleibt. Der Streit darüber reicht in die Kriegszeit zurück; derartige Konflikte erschweren bis heute eine gesicherte Zukunft für Bosnien und seine Bewohner.





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