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Referendum in der RS und Verfassungskrise

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Berichte Bosnien


Im Herbst 1995 endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina mit dem Friedensvertrag von Dayton. Doch mehr als 20 Jahre später sind drei staatsbildenden Völker, die muslimischen Bosniaken, die orthodoxen Serben und die katholischen Kroaten noch immer nicht zu einem Staatsvolk mit einem Minimum an gemeinsamer politischer Identität zusammengewachsen. Auslöser für die jüngste politische Krise zwischen Bosniaken und Serben ist ein Erkenntnis des bosnischen Verfassungsgerichtshofs in Sarajewo; er hat den Gründungstag des serbischen Teilstaates, den 9. Jänner als diskriminierend für Bosniaken und Kroaten gewertet und daher eine Änderung dieses Feiertages verlangt, der derzeit auch mit dem orthodoxen Feiertag des Heiligen Stephan zusammenfällt. Die Führung der bosnischen Serben in Banja Luka will die Entscheidung nicht akzeptieren und hat für morgen ein Referendum zu diesem Erkenntnis angesetzt, das wiederum der Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig untersagt hat. Über die Wurzeln des Konflikts und die möglichen Folgen des Referendums berichtet aus Banja Luka, der Landeshauptstadt der Republika Srpska, unser Korrespondent Christian Wehrschütz:



„Sind Sie dafür, dass der 9. Jänner als Tag der „Republika Srpska“ gefeiert wird?“ So lautet die Frage, über die morgen im serbischen Teilstaat abgestimmt wird. Die wichtigste Partei der bosnischen Serben, die SNSD unter Milorad Dodik, dem Präsidenten des serbischen Landesteils, sieht im Kampf um den Nationalfeiertag auch einen Kampf um den Fortbestand der Republika Srpska; denn die Entscheidung des bosnischen Verfassungsgerichtshofes geht auf eine Klage von Bakir Izetbegovic zurück; er vertritt die bosniakische Volksgruppe im höchsten Staatsorgan, dem Staatspräsidium, dem auch je ein Kroate und ein Serbe angehören. Die Durchführung der Abstimmung gegen den Willen der Bosniaken, der EU und der USA begründet in Banja Luka, Dusanka, Majkic, Mitglied des Parteipräsidiums der SNSD so:



„Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht; doch nach unseren Informationen hätte Bakir Izetbegovic als nächsten Schritt den Namen „Republika Srpska“ vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten. Izetbegovic hört nicht auf; immer, wenn er ein Chaos braucht, wendet er sich an den Verfassungsgerichtshof, der seinem Willen gemäß entscheidet. Doch nun verteidigt das gesamte Volk die Republika Srpska mit dem Bleistift; er wird alle serbische Vertreter in den Institutionen von Bosnien und der Republika Srpska verpflichten.“



Die Republika Srpska zählt 1,3 Millionen Einwohner; 80 Prozent sind Serben, 14 Prozent Bosniaken und nur 2,5 Prozent sind Kroaten. Im zweiten Landesteil, der Bosnisch-Kroatischen Föderation leben dagegen nur 3,6 Prozent Serben, 22 Prozent Kroaten und 70 Prozent sind Bosniaken. Dusanka Majkic sieht im Verfassungsgerichtshof nur ein politisches Machtinstrument der Bosniaken, die Serben und Kroaten majorisieren wollten.

Spiegelverkehrt ist die Sichtweise der Bosniaken; sie fühlen sich im serbischen Teilstaat diskriminiert, von der Schule bis hin zur Beschäftigung in staatlichen Institutionen. Die Serben würden die Rückkehr der Bosniaken verhindern, lautet eine der vielen Klagen. Das morgige Referendum sollten die Bosniaken boykottieren, fordert Ramiz Salkic, der machtlose bosniakische Vizepräsident der Republika Srpska:  



„Der Verfassungsgerichtshof hat das Referendum verboten; alle, die an seiner Durchführung arbeiten verletzten das Gesetz und werden von den bosnischen Institutionen strafrechtlich verfolgt werden, daran besteht kein Zweifel. Die Bürger dürfen der Missachtung des Verfassungsgerichtshofes keine Legitimität verleihen.“



Politisch nützt der Konflikt um den Feiertag mit Sicherheit Milorad Dodik; sein politischer Stern war im serbischen Landesteil wegen der schwierigen sozialen Lage im Sinken. Nun gibt es eine Woche vor den Lokalwahlen in Bosnien ein emotionales Thema, das Dodik nützt, um die Serben hinter sich zu scharen. Anderseits kann sich auch Bakir Izetbegovic mit seiner Partei SDA als Verteidiger der bosniakischen Interessen darstellen. Somit setzt sich in Bosnien das alte politische Spiel der nationalistischen Eliten fort, die es durch das Ablenken von lebenswichtigen Fragen vor Wahlen bisher immer wieder geschafft haben, ihre politischen Pfründe zu wahren.  
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