Interview mit Bakir Izetbegovic
Radio
MiJ
Berichte Bosnien
Der 1956 geborene Bakir Izetbegovic ist gleichsam mit Politik aufgewachsen. Von Beruf Architekt, ist der großgewachsene Mann, der Sohn von Alija Izetbegovic, der das Staatspräsidium in den Jahren des Krieges führte. In dieser Zeit war Bakir der persönliche Sekretär seines Vaters, der vor sieben Jahren starb. Nun amtiert der Sohn in denselben Amtsräumen. Dazu sagt Bakir Izetbegovic:
„Sogar Kleinigkeiten aus seiner Zeit wurden belassen und auch die Anordnung der Möbel ist gleich geblieben. Doch ihn gibt es nicht mehr in diesem Zimmer und daher ist das erste Gefühl natürlich Trauer. Hinzu kommt das Verantwortungsgefühl, dass ich etwas fortsetzen und vollenden muss, das er begonnen hat und das am Balkan nicht leicht zu bewerkstelligen ist.“
Bislang ist Bosnien und Herzegowina ein unvollendeter Staat, ein Jugoslawien im Kleinen, das in den vergangenen vier Jahren von politischer Stagnation geprägt war. Den Zustand des Landes beschreibt Izetbegovic so:
„Bosnien und Herzegowina ist wie ein Patient, dem der Friedensvertrag von Dayton das Leben gerettet hat; doch ohne weitere Operationen kann der Patient nicht funktionieren. Denn das Dayton-System ist voll von Blockaden wegen der Angst der Völker vor der Majorisierung durch ein anderes, und das hemmt; daher muss man daran arbeiten, diese Blockaden aufzuheben.“
Diese Angst vor der Majorisierung haben die Wahlen unter der kleinsten Volksgruppe, den Kroaten, nicht verringert. Das wiedergewählte kroatische Mitglied des Staatspräsidiums, Zeljko Komsic, kandidierte auf der Liste der bosniakischen Sozialdemokraten und verdankt seinen Sieg vor allem den Stimmen der Bosniaken. In Komsic sehen die kroatischen Parteien daher eher einen Verräter als einen kroatischen Vertreter. Lösen lässt sich dieses Problem nur durch die bereits zwei Mal gescheiterte Reform der Verfassung. Doch zunächst muss das Land überhaupt eine Regierung bekommen. Im serbischen Teilstaat sind die Machtverhältnisse klar. Doch im bosniakisch-kroatischen Teilstaat, der Föderation, und auf der Ebene des Gesamtstaates ist die Regierungsbildung sehr kompliziert. Zwischen den beiden stärksten Kräften will Izetbegovic mit seiner konservativen Partei vermitteln. Vor vier Jahren dauerte die Regierungsbildung fünf Monate. Dass es dieses Mal schneller gehen werde, glaubt Bakir Izetbegovic nicht:
„Die neue Konstellation wird nichts Grundlegendes verändern. Nominell sind das zwei Sozialdemokratische Parteien, die Sozialdemokraten aus der Föderation und die Partei im serbischen Teilstaat. Doch diese serbische Partei ist mehr nationalistisch als sozialistisch; und die beiden Parteien sprechen nur sehr schwer miteinander und können sich nicht einigen. Wir müssen nun versuchen, diese beiden größten Parteien einander näher zu bringen und geduldig daran arbeiten, eine gute Regierung zu bilden.“
Dabei hat Bosnien und Herzegowina keine Zeit zu verlieren. Die soziale Lage ist triste, auf dem Weg Richtung EU gibt es kaum Fortschritte, und als einziges Land in Europa wird es im kommenden Jahr wohl keine Volkszählung geben, weil sich die Volksgruppen nicht einigen konnten. Trotzdem sieht Bakir Izetbegovic in Bosnien und Herzegowina keinen hoffnungslosen Fall:
„ Balkan-Völker sind ein wenig irrationale und starrköpfige Leute. Doch wenn man mit dem Kopf hundert Mal gegen die Wand schlägt, dann wird er mit der Zeit etwas weicher, und dann beginnt man, sich etwas klüger zu verhalten. Ich hoffe, dass diese Zeit jetzt gekommen ist.“