Wachsender Einfluss der Türkei am Balkan
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Berichte Bosnien
In Sarajewo ist das osmanische Erbe bis heute prägender Teil der Altstadt. Erhalten geblieben ist das Erbe auch in vielen Bäckereien des ehemaligen Jugoslawien, in der Sprache, der Volksmusik und in der Tracht, obwohl die Türkei in Bosnien und Herzegowina eine Sonderrolle spielt. So sehen viele Bosnjaken in der Türkei eine Schutzmacht, und auch Türkisch wird populärer. Angeboten wird Türkisch etwa an der Internationalen Universität und an der Burch-Universität in Sarajewo, die auch eine Mittelschule betreibt. Diese Bildungsstätten haben vor allem private Geldgeber aus der Türkei finanziert. An der Internationalen Universität kommt die Mehrheit der 1.200 Studenten aus der Türkei, wobei Türkinnen in Sarajewo problemlos ihr Kopftuch tragen können. Zweitgrößte Gruppe sind Studenten aus Bosnien, während sie in der Burch-Mittelschule bereits die größte Gruppe stellen. Dank moderner Ausstattung und großzügiger Stipendien steigt das Interesse in Bosnien stetig an, erläutert der Leiter von Burch in Sarajewo, Fatih Gursoj:
„Bei der Aufnahmeprüfung in diesem Jahr haben sich für die Mittelschule 14.000 Kinder beworben. Doch wir konnten nur 250 von ihnen aufnehmen.“
Erste Unterrichtssprache in diesen Bildungsstätten Englisch; zur Rolle des Türkischen sagt Fatih Gursoj:
„Bedenkt man, dass ein Flug von Istanbul nach Sarajewo nur 90 Minuten dauert, so steigt auch in Bosnien und Herzegowina die Zahl derer, die Türkisch sprechen, ganz gleich ob das Studenten oder Geschäftsleute sind, die hier investieren. Das alles macht Türkisch immer attraktiver als Lehrfach. Dieser Tendenz sind wir uns bewusst, und das gibt uns als Bildungseinrichtung eine besondere Qualität, weil wir Türkisch anbieten.“
Doch auch politisch und wirtschaftlich wächst der Einfluss der Türkei und nicht nur in Bosnien In Albanien und im Kosovo baut ein türkisch-amerikanisches Konsortium die Autobahnen. Auch die Autobahn durch die serbische Region Sandzak soll die Türkei bauen. Und politisch trug die Türkei im Sandzak wesentlich zur Befriedung zweier verfeindeter bosnjakischer Parteien bei. Die Beziehungen zwischen Belgrad und Ankara sind so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr; trotzdem sieht Serbiens Außenminister Vuk Jeremic die Rolle der Türkei mit einem gewissen Unbehagen:
„Ohne Zweifel wird die Türkei am Balkan immer aktiver; und je langsamer die EU-Integration des Balkan vor sich geht, desto größer wird die Präsenz der Türkei am Balkan werden. Damit verbunden ist auch die Frage, was wird mit dem Balkan nach dem EU-Beitritt Kroatiens. Sollte Europa den Fehler begehen und nach Kroatien sagen, jetzt muss eine Pause sein, dann stellt sich die logische Frage, ob - wie zur Zeit des Ottomanischen Reichs – die Donau die Grenze Europas sein wird.“
Weniger historisch sieht der türkische Botschafter in Sarajewo, Vefahan Ocak, die außenpolitische Strategie seines Landes. Er sieht die Balkan-Politik Ankaras in Zusammenhang mit den EU-Ambitionen der Türkei. Vefahan Ocak:
„Selbst wenn wir annehmen, dass die Türkei noch nicht Mitglied der EU zu einem Zeitpunkt sein sollte, zu dem es alle Westbalkan-Staaten bereits sind, so bedeutet das, dass der Westen und Nordwesten der Türkei es mit Staaten zu tun haben wird, die EU-Mitglieder sind. Der Umgang mit diesem Gebiet wird dann viel einfacher und fruchtbringender für uns sein.“