Prozess gegen Radovan Karadzic wird in Den Haag fortgesetzt
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Berichte Bosnien
Radovan Karadzic soll vor dem Tribunal zum ersten Mal die Grundzüge seiner Verteidigung darlegen. Dazu hat der Angeklagte heute und morgen Zeit. Nach Angaben seiner Rechtsberater will Karadzic die bosnischen Serben als bedrohte Minderheit darstellen, der der Krieg in Bosnien aufgezwungen worden sei. Somit wählt Karadzic offenkundig eine offensive Verteidigungsstrategie. Dazu zählt auch, dass er den Bosnjaken eine Mitverantwortung für die Ereignisse in Srebrenica zuschreiben will, die schließlich im Massaker an 8.000 Bosnjaken gipfelten. Karadzics Darstellung nach, sei die UNO-Schutzzone Srebrenica niemals entmilitarisiert worden, und bosnische Truppen hätten Gräueltaten an Serben in umliegenden Dörfern verübt. Karadzic wird von der Anklage unter anderem für das Massaker in Srebrenica und für die jahrelange Belagerung von Sarajewo verantwortlich gemacht. Insgesamt geht es um 11 konkrete Fälle. Der Prozess in Den Haag begann im Oktober; er musste aber bis 1. März vertagt werden, weil Karadzic mehr Zeit zur Vorbereitung verlangte und mit dem Boykott des Verfahrens drohte. Objektiv betrachtet geht es um hunderttausende Seiten von Akten; doch Karadzic nutzt diesen Umstand auch zur Verzögerung des Verfahrens, in dem er keineswegs allein dasteht, sondern ein ganzes Beraterteam beschäftigt. Das Gericht stellte Karadzic jedenfalls im November einen Pflichtverteidiger bei. Er soll eingreifen, wenn Karadzic das Verfahren wieder boykottiert. Das ist durchaus möglich, weil Karadzic neuerlich eine Verschiebung des Verfahrens und zwar bis Juli verlangte. Neuerlich behauptet der Angeklagte, nicht ausreichend Zeit zur Vorbereitung gehabt zu haben. Diesen Antrag lehnt das Gericht ab, das bis Mitte der Woche auch die genaue Rolle des Pflichtverteidigers klären will. Grundsätzlich hat Karadzic nach wie vor das Recht, sich selbst zu verteidigen.