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Bosnien und der Prozess gegen Radovan Karadzic

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J18
Berichte Bosnien
In Bosnien und Herzegowina haben die Fernsehsender den Beginn des Prozesses gegen Radovan Karadzic direkt übertragen. Das Interesse der Bevölkerung war jedoch nicht besonders ausgeprägt. An den zwischen Serben und Bosnjaken geteilten Meinungen über Karadzic ändert der Prozessbeginn nichts, der noch dazu ohne Karadzic beginnen musste. Aus Sarajewo berichtet Christian Wehrschütz

Die Direktübertragung des Prozessbeginns gegen Radovan Karadzic war in Bosnien jedenfalls kein Straßenfeger. Zweifellos dürfte das Interesse steigen, wenn wichtige Zeugen aussagen und wenn es im weiteren Verlauf zum Kreuzverhör zwischen Karadzic und Zeugen kommen wird. Doch auch das ist nicht für jeden Bewohner ein Grund, sich vor den Fernseher zu setzen. So sagt ein älterer Mann in Sarajewo:

„Ich verfolge den Prozess nicht; dazu habe ich weder die Zeit, die Kraft noch den Willen. Ich warte nur auf das Urteil und das Prozessende.“

Denn 14 Jahre nach Kriegsende haben die meisten Bewohner Bosniens andere Probleme. Die Wirtschaftskrise hat das Land tief getroffen, und auch die EU-Annäherung erfolgt nur im Schneckentempo. Im Gegensatz zu Serbien, Montenegro und Mazedonien ist in Bosnien die Abschaffung der Visa-Pflicht für den Schengen-Raum mit ersten Jänner nicht in Sicht; auch bei anderen wichtigen Reformen ist Bosnien säumig. Bosnjaken, Serben und Kroaten können sich bisher nicht auf eine Verfassungsreform einigen. So hat Bosnien noch nicht ein Mal einen Landwirtschaftsminister und daher liegt die EU-Annäherung bis auf weiteres auf Eis.

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