× Logo Mobil

Interview mit dem EU-Bosnien-Beauftragten Miroslav Lajcak

Radio
MiJ
Berichte Bosnien
Seit erstem Juli ist in Bosnien-Herzegowina ein neuer Hoher Repräsentant im Amt. Es ist dies der slowakische Karrierediplomat Miroslav Lajcak. Lajcak spricht fließend serbisch, ist 44 Jahre alt, und verfügt über langejährige Erfahrung am Balkan. Diese Erfahrung und seine großen Vollmachten wird Lajcak auch brauchen; denn er soll im Auftrag der EU den Reformstillstand überwinden, den das Land seit einem Jahr prägt. Die EU-Annäherung liegt auf Eis, obwohl die technischen Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen bereits vor Monaten abgeschlossen wurden. Grund dafür ist, dass sich Bosnjaken, Kroaten und Serben nicht auf eine von der EU geforderte Reform der Polizei einigen können. Doch die Polizei-Reform ist nur eines von vielen Problemen, mit denen Miroslav Lajcak konfrontiert ist. Mit ihm hat in Sarajevo unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen und folgenden Bericht über die Lage in Bosnien gestaltet:

In der Vorwoche bedrohten massive Waldbrände die Küstenstadt Dubrovnik im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet. Ausgebrochen waren sie in Bosnien; Dort wurde die Feuerwehr ihrer nicht Herr und so konnten sich die Brände bis wenige hundert Meter vor Dubrovnik ausbreiten. In Bosnien hat die Feuerwehr keine Löschflugzeuge; doch das ist nicht die einzige Schwäche dieses Staates, die die Brände vor Dubrovnik offenbart haben, erläutert in Sarajevo Miroslav Lajcak:

„Leider funktioniert hier die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht so wie sie sollte. Außerdem hat die Ausstattung der lokalen Feuerwehr nicht den Standard, der nötig wäre; das muss man lösen. Und drittens sehe ich keine ausreichende Koordination von Seiten der Regierung in Bosnien und der beiden Teilstaaten. Hinzu kommt noch die Politik, die hier völlig fehl am Platze ist, denn Brände sind zu löschen.“

Mit dem Wort Politik spielt der EU-Beauftragte Lajcak darauf an, dass die bosnischen Serben im Grenzgebiet zu Dubrovnik kein sehr ausgeprägtes Interesse haben, den ungeliebten kroatischen Nachbarn beizustehen, liegt doch die Belagerung Dubrovniks erst 15 Jahre zurück. Der Krieg belastet nach wie vor auch das Zusammenleben von Bosnjaken, Kroaten und Serben in Bosnien. Der Gesamtstaat ist noch immer schwach; der serbische Teilstaat kämpft um jede Kompetenz, während der bosnjakisch-kroatische Teilstaat ein bürokratisches Monstrum mit zehn Kantonen ist. Miroslav Lajcak:

„Ich glaube nicht, dass es nur einen einzigen Menschen gibt, der sagen kann, dass dieses Land 14 Regierungen, einige Präsidenten und stellvertretende Präsidenten braucht. Es ist klar, dass der Staat zu seiner Erhaltung zu viel Geld ausgibt, statt dieses Geld für Bildung, Gesundheit und so weiter auszugeben.“

Lajcak will daher die Debatte über eine Staatsreform wieder in Gang bringen; sein Hauptziel ist jedoch die Reform der Polizei:

„Das ist derzeit das Haupthindernis auf dem Weg Richtung EU. Dieses Problem muss im September gelöst werden, damit wir das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen mit Brüssel paraphieren können. Dann wird Bosnien fest auf dem Weg Richtung EU sein. Zweitens müssen wir sofort mit der Reform der Verfassung beginnen. Hinzu kommt natürlich die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit; alle die Verbrechen begangen haben, müssen der Gerechtigkeit zugeführt werden. “

Die Suche nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadjic bleibt somit aktuell. Um seine Helfershelfer zu schwächen hat Lajcak jüngst mehr als 30 serbische Polizisten ihres Amtes enthoben. Gleichzeitig drängt Lajcak auf die rasche Abschiebung islamische Fundamentalisten, die während des Krieges nach Bosnien gekommen sind. Miroslav Lajcak:

„Das Problem ist unter Kontrolle. Bosnien-Herzegowina hat seinen traditionellen, gemäßigten Islam und ein islamischer Fundamentalismus ist nicht Teil der Kultur dieses Volkes. Es gibt natürlich Gruppen, die diesen Fundamentalismus ins Land tragen wollen, doch diese haben weder in der Bevölkerung noch bei den politischen Führern einen Rückhalt.“

Dieser Rückhalt fehlt den Politikern jedoch auch in der eigenen Bevölkerung. Nach Umfragen würden zwei Drittel der jungen Bosnier auswandern, wenn sie es könnte. Denn die wirtschaftliche und soziale Lage ist auch 12 Jahre nach Kriegsende noch immer triste; daran wird sich ohne drastische Reformen nichts ändern, die Miroslav Lajcak bei den lokalen politischen Eliten einzufordern hat.

Facebook Facebook