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Lage in Bosnien nach neun Jahren SFOR

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Berichte Bosnien


In Bosnien-Herzegowina beginnt heute die größte Militärmission in der Geschichte der EU. Anstelle der NATO-geführten Truppe SFOR wird nun die EUFOR mit 7.000 Soldaten die Stabilität des Landes sichern. Neun Jahre war die NATO in Bosnien seit der Krieg im Dezember 1995 durch das Friedensabkommen von Dayton beendet wurde. Trotz dieser langen Zeit ist das friedliche und dauerhafte Zusammenleben zwischen Bosniaken, Serben und Kroaten noch keineswegs gesichert. Die staatlichen Institutionen sind schwach, obwohl Bosnien mit seinen zwei Teilstaaten, zehn Kantonen und dem Distrikt Brcko ein äußerst kompliziertes Gebilde ist. Im folgenden Bericht ist unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz der Frage nachgegangen, wo Bosnien heute – neun Jahre nach Kriegsende - steht.

200.000 Tote, zwei Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, eine ruinierte Wirtschaft und eine zerstörte Infrastruktur – das war die Bilanz des Krieges in Bosnien. Der Gesamtstaat bestand praktisch nur auf dem Papier, denn fast alle Kompetenzen lagen bei den zwei Teilstaaten, der kroatisch-bosniakischen Föderation und der Serben-Republik. Neun Jahre später sind fast eine Million Flüchtlinge zurückgekehrt, und unter dem Druck der internationalen Verwaltung übernimmt der Gesamtstaat immer mehr Zuständigkeiten. Was das konkret bedeutet, erläutert der erste stellvertretende internationale Hohe Repräsentant, der Amerikaner Donald Hays:

„Mit Jahresende wird es einen einheitlichen Zoll, eine einheitliche Verbrauchssteuer geben und das Gesetz über die Mehrwertsteuer wird in Kraft sein, wobei dieses Steuer kommendes Jahr eingeführt wird. Das Bankensystem funktioniert. Die beiden Entitäten haben zugestimmt, die Bankenaufsicht auf die Staatsebene zu übertragen. Die Nationalbank macht nun Gewinn, die Währung ist stabil und in der Justiz sind nun Handelsgerichte geschaffen worden, die allerdings noch ausgebildet werden müssen. Die Instrumente sind somit vorhanden oder werden es in kürze sein.“

Trotzdem sind die Schattenseiten nach wie vor enorm. Die Schattenwirtschaft wird auf fast 40 Prozent geschätzt, die Korruption ist beträchtlich, ausländische Investitionen sind gering, und vielen Politikern fehlt der Wille zu Reformen. Dazu zählen Privatisierung und Verbesserung der Infrastruktur von der Wasserleitung bis zur Autobahn. Nur über etwa 20 Kilometer Autobahn verfügt Bosnien, das mit 51.000 Quadratkilometern und vier Millionen Einwohnern etwa halb so groß ist wie Österreich. Notwendig ist auch eine Reform des komplizierten Staatswesens, das mit dem Friedensvertrag von Dayton geschaffen wurde. Dazu sagt Donald Hays:

„Wenn sie mich privat fragen, ob das Land mit dieser Staatsstruktur und dieser Bürokratie Bestand haben kann, so ist die Antwort ein klares Nein. Vielleicht könnte es noch drei Jahre durchhalten, doch nicht viel mehr. Es gibt nur sehr wenige Politiker, die glauben, dass diese Struktur dauerhaft sein kann. Man kann keinen Staat bilden, ohne andere Ebenen der Regierung zu reduzieren. Man kann den Wohlstand nicht mehren, ohne die Bürokratie zu reduzieren, denn das Steuerniveau ist bereits zu hoch. Schließlich müssen auch im Reformprozess die Bürger stärker eingebunden werden, damit sie bereit sind, für Dienstleistungen zu zahlen, wie für Gesundheit und Pensionen.“

Hays hofft, dass die Zeit für diese Reform in etwa zwei Jahren gekommen sein wird. Noch wichtiger ist für ihn jedoch, die Aussöhnung zwischen den Volksgruppen, die eine der Voraussetzungen dafür ist, dass die EU-Militärpräsenz dereinst enden kann. Donald Hays:

„Auf unterster Ebene muss es zu einer Vertrauensbildung in der Gesellschaft kommen. Hier bleibt noch viel zu tun. Dazu zählt, dass man seinem Nachbarn trauen kann, dass man sich sicher sein kann, dass weder Du, Er noch Sie wieder zur Waffe greifen. Dazu gehört auch, dass man versteht, wie das alles geschehen ist, und dass man bereit ist das zu akzeptieren und nach vorne zu blicken. So lange das nicht erreicht ist, besteht im Grunde noch immer eine Art Zeitbombe.“

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