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Islamische Gefahr am Balkan ?

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Berichte Bosnien
Die Anschläge in den USA und die Bombardierung Afghanistans haben auch in Bosnien und in Jugoslawien zu intensiven Debatten über die tatsächliche oder vermeintliche Anhängerschaft Osama bin Ladens unter der ansässigen musli-mischen Bevölkerung geführt. In der Belgrader Wochenzeitung Nedeljni telegraf befürchtet ein serbischer Analytiker sogar, bin Laden könnte mit Anhängern in Bosnien, im Kosovo, in Albanien und Mazedonien Angriffe auf Europa planen. Unter Berufung auf israelische und amerikanische Geheim-dienstquellen beziffert die Zeitung die Anhängerschaft bin Ladens auf derzeit etwa 6.000 Mann auf dem Balkan, die jedoch auf 40.000 Mann anwachsen könnte. Wie realistisch sind nun diese Bedrohungsszenarien wirklich. Dieser Frage ist unser Korrespondent in Belgrad nachgegangen. Hier sein Bericht:

Die Spurensuche nach Osama bin Laden und seinen Anhängern im ehemaligen Jugoslawien ist in der serbischen Presse voll im Gange. Besonders intensiv berichtet über die vermeintlichen oder tatsächlichen Aktivitäten dieses Mannes die Wochenzeitung Nedeljni telegraf, ein Blatt, das über gute Verbindungen zu Armee und Geheimdienst in Serbien verfügt. Nach Angaben dieser Zeitung soll Osama bin Laden 1986 in Belgrad gewesen sein, um Waffen im Wert von 100 Millionen Dollar für den Kampf in Afghanistan zu kaufen. Doch die jugosla-wische Führung lehnte das Angebot ab; eine Bestätigung für den Zeitungsbe-richt gibt es nicht. Ebenso unbestätigt sind auch Berichte über fundamentalisti-sche Freiwillige, die auf Seiten der Albaner im Kosovo und in Mazedonien ge-kämpft haben sollen. Die Freischärler der UCK haben diese Vorwürfe stets zu-rückgewiesen; serbische und mazedonische Politiker waren jedoch stets bemüht, neben dem Hinweis auf großalbanische Ziele auch die Angst vor dem Islam als Mittel der Propaganda einzusetzen. Zwar sind die große Mehrheit die Albaner Moslems, doch bislang dominierten bei ihrem Kampf politische Forderungen. Ob Fundamentalisten unter Albanern daher Kämpfer rekrutieren könnten, ist eher zu bezweifeln; denn damit würde dieses Volk die beträchtliche Unter-stützung des Westens aufs Spiel setzten. Nicht auszuschließen ist jedoch, daß sich islamistische Söldner im Kosovo aufhalten. Genaue Angaben fehlen, doch wurden in der serbischen Presse zwei Gruppen mit etwa 100 Kämpfern genannt.

Eindeutiger als im Kosovo und in Mazedonien zurückverfolgt werden können die Spuren islamischer Fundamentalisten in Bosnien. Sie konnten dort während des Krieges Fuß fassen, nicht zuletzt deshalb, weil das Waffenembargo der UNO die bosnischen Muslime, die Bosniaken, gegenüber Serben und Kroaten massiv benachteiligte. Mit Geld, Waffen aber auch mit Freiwilligen unter-stützten fundamentalistische Gruppen, darunter auch Osama bin Laden die Bosniaken. Nach dem Friedensvertrag von Dayton mußten die Freiwilligen abziehen, doch ihre Spuren sind bis heute nachweisbar. Denn einige Kämpfer ließen sich in Bosnien nieder und heirateten. Ihre Zahl wird in Bosnien auf 400 bis 1200 Mann geschätzt. Auch im Fall dieser Kämpfer verweisen vor allem serbische Politiker und Militärs auf ein mögliches Gefahrenpotential. Der Bosnien-Beauftragte Wolfgang Petritsch schätzt die Gefahr des islamischen Fundamentalismus in Bosnien als nicht groß ein. In einem Interview mit der Belgrader Tageszeitung Danas betonte Petritsch jedoch, daß wirtschaftliche und soziale Probleme zu eine Radikalisierung unter der Jugend führen könnte. Daher sei die Eingliederung Bosniens in die europäische Wertegemeinschaft so wichtig, sagte Petritsch.

Noch geringer als in Bosnien ist die Gefahr des islamischen Fundamentalismus in Serbien selbst einzuschätzen. Hier leben etwa 500.000 Moslems, die meisten von ihnen Bosniaken. 200.000 von ihnen leben in Belgrad, der Rest im Sandzak. Unter dieser Gruppe blieben Rekrutierungsversuche während des Krieges in Bosnien praktisch erfolglos; trotz der repressiven Politik unter Milosevic griffen diese Moslems nicht zur Waffe. Daß sie daher für Afghanistan kämpfen sollten, ist noch unwahrscheinlicher. Daher bestreitet auch die islamische Geistlichkeit jede Gefahr einer Radikalisierung. Der Vorsitzende der islamischen Gemein-schaft im Sandzak, Muamer Efendi Zukorlic, sagt über seine Haltung zum Westen:

Wir sind Europäer und daher akzeptieren wir alles, was nicht im Widerspruch zu unseren religiösen und moralischen Prinzipien steht. Daher respektieren wir alle Werte, die der Westen repräsentiert. Was wir aber als Muslime niemals akzeptieren können, sind Dinge die mit der moralischen Dekadenz des Westens zusammenhängen; sie ist ein Produkt der sexuellen Freizügigkeit zum Beispiel, betreffen aber auch die Breiche Aids und Drogen. Das was im Westen gut ist, sollen wir übernehmen als und bewahren als etwas Wertvolles; was gemeinsam ist und gemeinsam sein sollte. Was negativ ist und unseren religiösen und moralische Prinzipien widerspricht, das gehört nicht zu uns, und das werden wir niemals akzeptieren.
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