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Der Prozess gegen Karadzic und die Lage in Bosnien

Fernsehen
ZiB2
Berichte Bosnien
In Bosnien und Herzegowina haben die Fernsehsender den Beginn des Prozesses gegen Radovan Karadzic direkt übertragen. Das Interesse der Bevölkerung war jedoch nicht besonders ausgeprägt. An den zwischen Serben und Bosnjaken geteilten Meinungen über Karadzic ändert der Prozessbeginn nichts, der noch dazu ohne Karadzic beginnen musste. Hinzu kommen die Wirtschaftskrise und der politische Stillstand auf dem Weg Richtung EU. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Staatsreform, auf die sich die Politiker der Bosnjaken, Serben und Kroaten bisher aber nicht einigen konnten.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina

Insert1: Harris Silajdzic, Bosnjakischer Politiker

Insert2: Milorad Dodik, Regierungschef der Republika Srpska

Gesamtlänge: 2’32

Ein Straßenfeger war der Prozessbeginn in Bosnien nicht. Dazu dürfte auch die Abwesenheit des Angeklagten beigetragen haben. Radovan Karadzic und der flüchtige General Ratko Mladic sollen für die Ermordung von 8.000 Bosnjaken in Srebrenica verantwortlich sein. Die juristische Aufarbeitung des Massakers dürfte zu keiner neuen Teilung in Bosnien führen. Das muss aber nicht als positives Zeichen gewertet werden:

„Die Teilung besteht schon jetzt sichtbar, auch ohne Karadzic und Mladic.“

So hat Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina, seit einem Jahr keinen Bürgermeister, weil sich Kroaten und Bosnjaken im Gemeinderat nicht einigen können. Doch auch nach Volksgruppen getrennte Schulen gibt es nach wie vor:

„Was wird das morgen für eine Gesellschaft sein, wenn die Kinder nicht gemeinsam in eine Schule gehen können? Diese Kinder müssen auch unterschiedliche Lehrbücher lesen und lernen eine unterschiedlich Geschichte. Somit haben wir 14 Jahre nach dem Friedensvertrag von Dayton ein derartiges Schulwesen, und einen fragmentierten Wirtschaftsraum.“

Bosnien besteht aus zwei Teilstaaten, der bosnisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska. Vor allem der serbische Teilstaat ist strikt gegen jede weitere Abgabe von Kompetenzen an den Gesamtstaat. Mehrmals kam es bereits zu Konflikten mit dem Österreicher Valentin Inzko, dem internationalen Bosnien-Beauftragten:

„Die rechtliche Vergewaltigung, die die Bosnien-Beauftragten durchgeführt haben, in dem sie der Republika Srpska Zuständigkeiten entzogen haben, muss eines Tages aufhören. Alle Besatzungen und alle Protektorate enden eines Tages und so muss es auch in Bosnien und Herzegowina sein.“

Bei seinem Widerstand wird Dodik auch aus Serbien unterstützt; so eröffnete Präsident Boris Tadic in Pale, dem Wohnort von Radovan Karadzic, jüngst eine Grundschule. Sie trägt bezeichnender Weise den Namen „Serbien“. Die EU will nun Druck auf Belgrad ausüben, um die bosnischen Serben zum Einlenken zu zwingen. Mitte Oktober scheiterte in Bosnien vorerst der Versuch von USA und EU, eine Verfassungsreform zu erreichen. Dagegen waren alle drei Volksgruppen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Bosnien hat noch nicht ein Mal einen Landwirtschaftsminister, und auch daher lieg die EU-Annäherung bis auf weiteres auf Eis.

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