Inzkos Rückkehr nach Sarajewo
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Berichte Bosnien
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina
Aufsager: Christian Wehrschütz aus Sarajewo
Gesamtlänge: 2|44
Vor 25 Jahren fanden in Sarajewo die olympischen Winterspiele statt. Gefahren wurde auf der Jahorina und der Bjelasnica. Die Sessellifte sind praktisch alle veraltet und viele Hotels wurden im Krieg zerstört. Doch nun regt sich wieder Wintertourismus; noch kommen vor allem die Nachbarn; aber langsam entstehen Hotels, die westlichen Ansprüchen genügen, obwohl natürlich das Angebot nach dem Skifahren zu wünschen übrig lässt. Während die Jahorina im serbischen Teilstaat liegt, befindet sich der größte Touristen-Magnet in der kroatisch dominierten Herzegowina. Der Wahlfahrtsort Medjugorje zählt mehr als eine Million Übernachtungen pro Jahr. Hinzu kommt die Stadt Mostar, die mit osmanischem Flair und ihren Brückenspringern locken soll. Politisch ist Mostar praktisch zwischen Kroaten und Bosnjaken geteilt; auch in Sarajewo ist das gemeinsame Leben der beiden Völker und der Serben eine Fiktion. Die Spaltung zeigt das Bildungswesen; diesen katholischen Kindergarten besuchen zwar einige Roma, doch in den bosnjakischen Kindergärten wurde der Nikolo abgeschafft und der islamische Religionsunterricht eingeführt, eine Maßnahme, die die Trennung verstärkt. Multiethnische Projekte privater Organisationen haben es daher sehr schwer, weil oft nur eine Volksgruppe teilnimmt. Geteilt sind viele Schulen; die eine Volksgruppe lernt am Vormittag und die andere am Nachmittag. Als eine Zeitbombe bezeichnete Miroslav Lajcak diese ethnische Spaltung. Lajcak hat heute offiziell das Amt des internationalen Beauftragten an Valentin Inzko übergeben. Inzkos Aufgabe wird es auch sein, die drei Völker zu einer Staatsreform zu bewegen, die Bosnien EU-tauglich macht. Auf vier Millionen Einwohner kommen mehr als 400 Minister in zwei Teilstaaten und ein schwacher Gesamtstaat. Ihn wollen die Bosnjaken stärken, während die Serben strikt dagegen sind, und die Kroaten am liebsten ihren eigenen Teilstaat hätten. Die Verhandlungen über die Staatsreform erschweren nun wachsende Armut und Wirtschaftskrise sowie eine uneinige internationale Gemeinschaft; der internationale Beauftragte soll künftig nur mehr als Vertreter der EU in Bosnien tätig sein; doch das genaue Mandat ist noch ebenso strittig wie die Frage, wie der Beauftragte die enormen Vollmachten einsetzen soll, über die er noch verfügt.
Aufsager:
Bosnien ist im Grunde eher ein gescheiterter weil erzwungene Staat; retten kann ihn nur eine klare EU-Perspektive, doch dazu müssen auch die EU-Staaten zunächst wissen, was aus Bosnien werden soll.