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Bosnien 10 Jahre danach

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Berichte Bosnien
Bundespräsident Thomas Klestil beginnt morgen seinen offiziellen Besuch in Bosnien. In Sarajevo wird Klestil mit den politischen Vertretern des Gesamtstaates, der beiden Teilstaaten und den führenden Vertretern der wichtigsten Parlamente zusammentreffen. Allein dieses Besuchsprogram zeigt, wie kompliziert das Staatswesen ist, das der Friedensvertrag von Dayton Ende 1995 geschaffen hat. Klestils Besuch fällt fast mit dem 10. Jahrestag des Bosnien-Kriegs zusammen, der am 6 April begann. Nach Schätzungen internationaler Nicht-Regierungsorganisationen haben Krieg und Wiederaufbau den Westen bisher bis zu 50 Milliarden US-Dollar gekostet. Die Erfolgsbilanz des Westens und der internationalen Gemeinschaft fällt jedoch noch immer äußerst gemischt aus. Vergangenes Jahr sind 100.000 Personen in ihre Dörfer zurückgekehrt. Die Zahl der Rückkehrer liegt nun bei knapp über

800.000, .doch noch immer sind 600.000 Menschen Flüchtlinge im eigenen Land.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien

Insert 1: 0’58 Wolfgang Petritsch, Hoher Repräsentant

Insert 2: 1’56 Dragoljub Davidovic, Burgermeister von Banja Luka

Insert 3: 2’47 Jasmim Imamovic, Bürgermeister von Tuzla

Aufsager: 3’31 Christian Wehrschütz Banja Luka

Gesamtlänge: 3’56

Was vor 10 Jahren mit Scharmützeln wurde zum grausamsten Krieg in Europa seit 1945. Der Bosnien-Krieg soll bis zu 200.000 Opfer gefordert haben; allein die Belagerung Sarajevos dauerte fast vier Jahre und kostete mehr als 10.000 Menschenleben; die Gräber am Olympia-Gelände der Stadt zeugen ebenso davon wie das Stadtbild von Sarajevo. Ende 1995 unterzeichneten in Dayton Serben, Bosniaken und Kroaten sowie die Machthaber von Belgrad und Agram, Slobodan Milosevic und Franjo Tudjman den Friedensvertrag. Er beendete zwar den Krieg, schuf jedoch gleichzeitig ein äußerst kompliziertes Gebilde: Ein Staat, zwei Entitäten, drei Völker, 10 Kantone, ein Paradies für Politiker, doch bürokratisch und ineffizient mit einer schwachen Zentralregierung. Der Österreicher Wolfgang Petritsch hat sich als Hoher Repräsentant in den vergangenen zwei Jahren bemüht, den Zentralstaat zu stärken:

„Die staatliche Ebene ist in der Tat sehr schwach ausgeprägt und dieses Land wird sich niemals Richtung Europa integrieren können, wenn man nicht eine entsprechend schlanke aber trotzdem funktionelle staatliche Regierungsebene mit den notwendigen Institutionen schafft.“

Viele Regionen Bosniens bietet nach wie vor ein deprimierendes Bild, trotz aller Bemühun-gen des Westens und privater Hilfsorganisationen. Das Dorf Josanica im serbischen Teil Bosniens zählte vor dem Krieg 1200 Einwohner. Bisher sind etwa 250 Personen zurückge-kehrt. Häuser werden wiederaufgebaut, doch noch immer ist viel zerstört, die Infrastruktur ist ebenso schwach wie die Perspektive; die offizielle Arbeitslosigkeit liegt in Bosnien bei 40 Prozent. In Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik, zeigt auch die Präsenz ausländischer Marken, daß die Schattenwirtschaft ebenso blüht wie der Kleinhandel. Zur Wirtschaftslage sagt Bürgermeister Dragoljub Davidovic:

„Wir haben die Märkte des ehemaligen Jugoslawiens und darüber hinaus verloren. Denn unsere Firmen haben mit vielen Betrieben in Europa und der Welt zusammengearbeitet. Hinzu kommt der Entwicklungsrückstand durch die Ereignisse der vergangenen 10 Jahre. Vor allem die Elektronikindustrie kann diesen Rückstand kaum aufholen.“

Die alte Ferhadija Moschee konnten in Banja Luka noch nicht wieder aufgebaut werden. Den ersten Versuch einer Grundsteinlegung verhinderten Ausschreitungen, erst der zweite Anlauf gelang, denn Ressentiments sind noch immer sehr stark nicht nur im serbischen Teil.

Schwierig ist die Lage auch in Tuzla und vielen Regionen des bosniaktisch-kroatischen Teilstaates. Zwar wurde die gemischte Stadt vom Krieg weitgehend verschont und hat auch einige funktionierende Betriebe. Trotzdem sagt der Bürgermister der 100.000 Einwohner Jasmim Imamovic:

„Wir haben 14.500 Arbeitslose und 31.400 Beschäftigte. Doch wie können die Beschäftigten die Arbeitslosen erhalten. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 210 Euro, natürlich nur bei den Beschäftigten. Daher sind die Einwohner in einer katastrophalen Situation.“

Katastrophal ist auch die Bilanz der Friedenstruppe SFOR bei der Jagd nach dem ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadjic. Auch beim jüngsten Versuch im bosnisch-monte-negrinischen Grenzgebiet, konnte Karadjic nicht gefaßt werden, obwohl TV-Spots für dessen Ergreifung fünf Millionen Dollar verheißen. Doch nicht nur wegen Karadjic, werden SFOR und der Westen noch lange in Bosnien bleiben müssen, sondern wegen der fragilen Lage des gesamten Staates.

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