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Albanien vor der Qual der Wahl

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Berichte Albanien
Am kommenden Sonntag wählt Albanien ein neues Parlament. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht, ob der amtierende sozialistische Ministerpräsident Fatos Nano die Macht behaupten kann, der ob Oppositionsführer Sali Berisha gewinnen wird. Entscheidend ist vielmehr, ob es zum ersten Mal in der Geschichte Albaniens frei, demokratische und gewaltfreie Wahlen geben wird. OSCE, EU und USA haben jedenfalls alle politischen Druckmittel ausgespielt, um Albanien klar zu machen, dass eine weitere Integration in EU und NATO nur möglich ist, wenn die Wahl fair abläuft. Das wissen auch die mehr als 20 wahlwerbenden Parteien und das hoffen auch die 2,8 Millionen stimmberechtigten Albaner, für die der Urnengang trotzdem eine Qual der Wahl ist. Denn viele sind mit der Regierung Nano unzufrieden, hegen jedoch großes Misstrauen gegen Sali Berisha unter dessen Führung das Land 1997 im Chaos versunken ist. Über die Ausgangslage vor der Parlamentswahl berichtet aus Tirana unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der 6.000 Einwohner zählende Ort Miras liegt im albanisch-griechischen Grenzgebiet. Asphaltierte Straßen gibt es nicht, die aus Ziegeln gemauerte Mittelschule ist unverputzt und macht auch wegen eingeschlagener Fenster einen eher verfallenen Eindruck. Die Bewohner von Miras leben offensichtlich von der Landwirtschaft, die in Albanien wenig einbringt, trotzdem sind auch in dieser Stadt vermutlich gestohlene Autos der Marke Mercedes zu sehen, die in Albanien allgegenwärtig sind. Im Zentrum bei der Schule haben sich etwa hundert Bewohner versammelt, um Oppositionsführer Sali Berisha zu hören. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei verspricht Arbeit und Brot, bessere Straßen und den Kampf gegen die Korruption. Zum Zeitplan für all diese Reformen sagt Berisha:

„Ich glaube dass ich im Kampf gegen die Korruption die ersten Ergebnisse binnen sechs Monaten erzielen kann, denn die privaten Monopole hochrangiger Politiker werden beendet sein. Die Schaffung von Arbeitsplätzen wird etwas länger dauern. Ich will alle Steuern für Klein- und Mittelbetriebe halbieren, denn diese Betriebe schaffen die meisten Arbeitsplätze. Was die EU-Integration betrifft, haben wir einige Hausaufgaben zu erledigen. Wir müssen Reformen, Standards und demokratische Kriterien ernsthaft verwirklichen und das Bild ändern, das Albanien derzeit hat. Doch ich bin Optimist, dass es schneller als erwartet gehen wird.“

Optimismus verbreitet auch Berishas Hauptgegner Fatos Nano. Der sozialistische Ministerpräsident Fatos Nano verweist im Wahlkampf auf sieben Jahre politische Stabilität, auf durchaus sichtbare Reformerfolge, die fortgesetzt werden sollen. Sein Vorteil ist, dass viele noch nicht vergessen haben, dass Albanien 1997 unter Berisha im Chaos versunken ist. Nanos großes Handicap sind Korruption und Misswirtschaft, die Unzufriedenheit vieler Albaner und Ilir Meta. Der ehemalige Parteigenosse hat sich von Nano getrennt und tritt mit einer eigenen Liste an, die Fatos Nano entscheidende Stimmen kosten könnten. Umfragen sagen zwar ein Kopf an Kopf Rennen zwischen Nano und Berisha voraus, doch ihre Aussagekraft ist wegen des komplizierten Wahlsystems gering. Von den 140 Sitzen werden 100 in einem Wahlgang in Einerwahlkreisen gewählt, die restlichen 40 Sitze werden nach Parteilisten vergeben. Doch der Zuteilungsmodus ist sehr kompliziert, begünstigt Wahlbündnisse und ein Stimmensplitting, das an Manipulation mit legalen Mitteln heranreicht.

Ein weiteres Problem sind die Wählerlisten. Die ihnen zugrunde liegenden Meldregister sind oft ungenau, veraltet und hinzu kommen Hunderttausende Albaner, die im Ausland leben, aber nicht wahlberechtigt sind, weil es keine Briefwahl gibt. Auch das begünstigt Wahlbetrug. So wurden jüngst 15.000 Geburturkunden gestohlen, die als Ausweis um Wahllokal benutzt werden können. Damit können Kontrollen umgangen und auch die hunderten Wahlbeobachter getäuscht werden, die etwa die OSZE im Einsatz hat. Entscheidend ist daher der politische Wille und nicht die Infrastruktur wie Wolfgang Sporrer von der OSZE in Tirana betont:

„Das Problem der Wahlen ist nicht, dass irgendwann ein Mal der Strom ausfällt, und dort es ein Mal keinen Transport gibt und dort ein Mal das Telefon nicht funktioniert. Das Problem der Wahlen, falls es eines gibt, liegt am politischen Willen. Es liegt am politischen Willen der Parteien und Institutionen, ob die Wahlen ein Erfolg und eine gesunde Basis für Demokratie sind oder nicht.“

Nur ein Erfolg wird Albanien jedenfalls dem Ziel näher Bringen dereinst EU und NATO beitreten zu können. Das haben Brüssel und die USA unmissverständlich klar gemacht, und daher bestehen berechtigte Hoffnungen, dass dies die ersten Parlamentswahlen in Albanien sein könnten, die demokratischen Standards einigermaßen gerecht werden.

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