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Mythos Skanderbeg

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Am 28. November feierte Albanien den 100. Geburtstag seiner Staatsgründung. Ein ganz besonderer Höhepunkt dieser Feiern galt auch dem Nationalhelden Skanderbeg; denn zum ersten Mal sind im Nationalmuseum in Tirana sein Helm mit dem Ziegenkopf und zwei Schwerter zu sehen, die Skanderbeg zugeschrieben werden, der im 15. Jahrhundert gegen die Herrschaft der Osmanen kämpfte. Diese Gegenstände, die in der Hofjagd- und Rüstkammer in Wien aufbewahrt werden, haben für alle Albaner eine Art Reliquiencharakter, und daher ist die Freude nicht nur in Albanien enorm groß. Denn aus dem ganzen Balkan strömen Albaner nach Tirana, um die Ausstellung zu besuchen, die noch bis Mitte Jänner dauert. Skanderbeg ist jenseits seiner historischen Rolle der zentrale Held, in dem sich auch die komplexe Entwicklung der albanischen Gesellschaft widerspiegelt. Über den Mythos Skanderbeg hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz den folgenden Beitrag verfasst:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Albanien, Tamara Liessem aus Wien

Insert1: 1’27 Oliver Jens Schmitt, Skanderbeg-Biograph Universität Wien

Insert2: 2’15 Oliver Jens Schmitt, Skanderbeg-Biograph Universität Wien

Insert3: 3’13 Dritan Ergo, albanischer Historiker

Gesamtlänge: 5’55

Am 28. November war ganz Albanien auf den Beinen, um die Ausrufung der Unabhängigkeit vor 100 Jahren zu feiern. Die Nationalfarben sowie der schwarze Doppeladler Skanderbegs, dominierten die Straßen, und in Tirana herrschte eine Art Volksfeststimmung. Ungebrochen ist auch der Andrang im Nationalmuseum, ist es doch das erste Mal seit 500 Jahren, dass Skanderbegs Helm und Schwerter Österreich verlassen durften. Euphorisch ist daher die Stimmung der Besucher:

„Emotion, große und besondere Emotion und Zufriedenheit, die wir dabei fühlen Albaner zu sein und Stolz.“

Hundertausende Albaner haben die Ausstellung gesehen; dieser Andrang ist nur mit der Verehrung zu erklären, die Georg Kastriota, genannt Skanderbeg, zuteilwird:

„Skanderbeg ist einfach unser größter Held; und das bedeutet er für uns alle. Das ist unsere Geschichte, das ist unsere Ehre, das ist alles, was man mit Würde beschreiben kann.“

Daher wird in Albanien die Tatsache ignoriert oder bestritten, dass Skanderbeg die Schwerter nie geführt hat. Westliche Experten sind sich einig, dass die Waffen im 16. Jahrhundert in Italien ebenso gefälscht wurden, wie viele Heiligen-Reliquien im Mittelalter. Authentisch dürfte nur der obere Teil der Königskrone mit dem charakteristischen Ziegenkopf sein:

„Der obere Teil ist insofern interessant als er eine recht genaue Kopie der mazedonischen Königskrone ist; und das lässt sich damit erklären, dass Skanderbeg, der Name bedeutet ja eigentlich Herr Alexander, von den Päpsten, vor allem von Pius II. als neuer Alexander der Große gedeutet wurde, in dieser antikisierenden Sprache der Renaissance, und als neuer Alexander sollte er eben die neuen Perser, also die Osmanen vertreiben.“

1468 starb Skanderbeg; die Osmanen unterwarfen den Balkan und bedrohten mehr als 250 Jahre ganz Europa. Als christlicher Held blieb Skanderbeg daher bis ins 19. Jahrhundert in Europa in Erinnerung. Das nutzte die Habsburger-Monarchie, um die Macht Serbiens auf dem Balkan einzudämmen:

„Österreich-Ungarn plante einen autonomen oder unabhängigen albanischen Staat für den Fall, dass das Osmanische Reich zerfällt, um Serbiens Vorstoß an die Adria zu verhindern. Und dafür musste man eine nationale Identität schaffen; und da hat dann Österreich-Ungarn schon Skanderbeg als eine Integrationsfigur präsentiert, aber es wurde nicht genau beschrieben, gegen wen er eigentlich kämpfte, nämlich gegen die Osmanen. Und wenn man noch genauer hinschaut, jetzt in der historischen Analyse, waren diese Osmanen in der Regel Albaner, die einfach zum Islam übergetreten sind, das waren keine Türken aus Anatolien in der Regel.“

So war auch Ismail Qemali, der in der Küstenstadt Vlora 1912 die Unabhängigkeit ausrief, muslimischer Albaner. In dem religiös gespaltenen Volk konnte ein christlicher Krieger nicht einigend wirken; daher wandelte sich Skanderbeg zum Kämpfer für die Unabhängigkeit, um eine nationale Integrationsfigur zu schaffen:

„Trotz der Islamisierung wurde Skanderbeg als eine wichtige Figur der Nation akzeptiert, der den Prozess der Staatenbildung bei den Albanern vorantreiben sollte. So sehen wir, dass Skanderbeg eine Zentralfigur ist seit dem Jahre 1879, und zwar auch durch das Traktat mit dem Titel "Die Wahrheit über Albanien und die Albaner“, und das ist das erste Programm des albanischen Nationalismus.“

Skanderbegs Rolle wandelte sich erneut als der kommunistische Diktator Enver Hoxha nach dem Zweiten Weltkrieg Albanien mit einem System von Bunkern überzog und das Land von der Außenwelt abschottete.

Seiner Glorifizierung diente der Film „Skanderbeg“, der 1953 entstand als Tirana noch mit Moskau verbündet war. In der sowjetischen Produktion spielt der Georgier Akakij Horava, den Helden, der die Albaner gegen die Türken eint. Vom Westen im Stich gelassen, muss Skanderbeg dabei diesen Kampf alleine führen.

Seine letzte Botschaft lautet:

„Sind nicht wir und das albanische Volk eins? Wenn ich und ihr sterben, so wird das Volk leben. Es wird den Kampf fortsetzen und siegen. Ist es wahr, dass ich schwach bin, und dass meine Hände das Schwert nicht mehr führen können? Doch wahr ist, dass meine Pferde Berge überspringen und mein Schwert zerschmettert den Fels.“

Im kommunistischen Kampf gegen die Kirchen, wurde Skanderbeg eine Art Ersatzgott, ehe er schließlich durch den Personenkult um Enver Hoxha in den Hintergrund geriet. Der Diktator starb 1985, fünf Jahre später stürzte sein Regime. Das von seiner Tochter Pranvera gestaltete Museum in Kruja, innerhalb der ehemaligen Burg Skanderbegs, zählt nun in Albanien zu den Touristenattraktionen. Sein Mythos überdauerte alle Systeme, und es gibt wohl keine Gruppe in Albanien, für die Skanderbeg kein relevanter Bezugspunkt ist. Heute stehen Skanderbegs Denkmaeler nicht nur in Albanien, sondern im unabhaenigen Kosovo ebenso wie in der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Somit markiert er albanisches Siedlungsgebiet auf dem Balkan. Skanderbeg, sein Doppeladler und die Sprache sind die wichtigsten Bezugspunkte der

Nation. Dieser Nationalismus wird wohl nur dann keine großalbanischen Züge annehmen, wenn die EU-Integration des Balkan nicht zur unendlichen Geschichte wird.

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